Folge: 798 | 25. April 2011 | Sender: SWR | Regie: Zoltan Spirandelli
Bild: SWR/Stephanie Schweigert |
So war der Tatort:
Stuttgartbezogen.
In Grabenkämpfe gibt es nämlich so viel von der schwäbischen Metropole zu sehen wie in kaum einer zweiten Tatort-Folge aus dem Ländle: Schon die Eröffnungssequenz spielt in den Wagenhallen, einer beliebten Kunst- und Partylocation, die auch im Krimi ihren realen Namen behalten darf und deren Betreiber Stefan Aldinger (Christoph Jacobi, Wegwerfmädchen) nach einem Solidaritätskonzert ermordet aufgefunden wird.
Die Hauptkommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) schlürfen ihren Kaffee in einem Straßencafe auf der Königstraße, aber spätestens hier wird es unrealistisch: Wer bei strahlendem Sonnenschein schon mal durch die Stuttgarter Fußgängerzone geschlendert ist, der weiß, dass Normalsterbliche dort in der Regel nur nach langen Wartezeiten einen Platz mit guter Sicht auf das Treiben am Schlossplatz ergattern.
Egal: Für Stuttgart-Kenner und solche, die es noch werden wollen, macht Grabenkämpfe doppelt Spaß, denn die Location-Wahl führt diesmal fast ausschließlich an bekannte Schauplätze der baden-württembergischen Landeshauptstadt.
Kurz vor dem Abspann kommt Bootz in einem der nachdenklicheren Momente des ansonsten oft heiter angehauchten Films sogar auf den umstrittensten deutschen Bahnhofsbau aller Zeiten zu sprechen, wenngleich sich der Familienvater eine eigene Meinung zu Stuttgart 21 tunlichst verkneift. Schließlich ist das hier öffentlich-rechtliche, politisch penibelst neutrale Fernsehunterhaltung.
Inhaltlich ist der 798. Tatort jedoch gar nicht weit weg vom kontrovers diskutierten Mammutprojekt: Auch in Grabenkämpfe geht es um den kostspieligen Neubau moderner Wohnanlagen, die auf einem Areal entstehen sollen, das den Stuttgartern über die Jahre ans Herz gewachsen ist: auf dem Gelände eben jener Wagenhallen nämlich. Und so scheint die Suche nach dem Täter nur über den skrupellosen Baulöwen Walter Rühle (Rüdiger Vogler, Bienzle und der Biedermann) zu führen, der in seinen gläsernen Büroräumen einen herrlichen Blick auf Stadt und Weinberge genießt.
Leider verrichten Regisseur Zoltan Spirandelli, der später viele Tatort-Folgen aus Saarbrücken inszeniert, und das für seine Tatort-Folgen aus Münster berühmt-berüchtigte Drehbuchautorenduo Stefan Cantz und Jan Hinter hier trotz reichlich Lokalkolorit nur Dienst nach Vorschrift: eine Auftaktleiche, ein halbes Dutzend Verdächtiger, nach einer Stunde die zweite Leiche und am Ende eine halbwegs überraschende Auflösung.
Grabenkämpfe ist ein am Reißbrett entworfener Tatort, der sich den ungeschriebenen Gesetzen der Krimireihe über weite Strecken kampflos unterwirft und der durch die bemüht witzigen Schrank-Aufbau-Szenen in der Wohnung von Lannerts Nachbarin Lona (Birthe Wolter) oder die kleinen Neckereien mit Staatsanwältin Emilia Álvarez (Carolina Vera) eher seichter als fesselnder wird.
So hat der Sonntagskrimi seinen stärksten Moment ausgerechnet in dem Moment, in dem es einmal nicht um Stuttgart geht: Cantz und Hinter, die bis 2011 bereits acht Tatort-Folgen aus Münster schrieben, bauen nämlich eine köstliche Anspielung auf den westfälischen Rechtsmediziner Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) mit ein. Dessen überarbeiteter schwäbischer Kollege Daniel Vogt (Jürgen Hartmann) beklagt sich bei den Stuttgarter Kommissaren nach dem Besuch einer Tagung über die „pausenlosen Schwadronaden des geschätzten Münsteraner Kollegen“.
Köstlich!
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