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Spargelzeit

Folge: 775 | 10. Oktober 2010 | Sender: WDR | Regie: Manfred Stelzer

Bild: WDR/Martin Menke

So war der Tatort:

Stilsicher.

In der wohl köstlichsten Szene der 775. Tatort-Folge marschiert Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) nämlich gewohnt elegant in schwarz-weiß gemusterten Gummistiefeln auf – ein Designermodell, versteht sich, das perfekt auf seinen Anzug abgestimmt ist und natürlich nicht von jedermann getragen werden kann („Ich weiß, guter Geschmack macht sehr einsam.“). 

Weitaus weniger souverän bei der Wahl des richtigen Schuhwerks agiert Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl), der sich beim Schuster hochwertige Lederschuhe aufschwatzen lässt, aber schon wenig später von schmerzhaften Blasen gequält wird. Das wieder um ist eine Steilvorlage für Boerne, der für die 140 Euro teuren „Billigschuhe“  nur ein verächtliches Augenrollen über hat.

Es sind Szenen wie diese, die den 18. gemeinsamen Einsatz der Münsteraner einmal mehr zu einem Heidenspaß machen, wenngleich das ungleiche Duo stellenweise unter Beweis stellt, dass es auch ernst sein kann: Boerne und Thiel zeigen sich in den Gesprächen mit der kleinen Julia Pütz (Matilda Merkel, Eine andere Welt), die Thiel konsequent duzt und Boerne konsequent siezt, verständnisvoll und einfühlsam.

Ganz anders geht es natürlich im Boerneschen „Leichenbunker“ zu, in dem die kleinwüchsige Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) beim Gespräch über den Knochenjob Spargelernte wieder geduldig die Frotzeleien ihres selbstverliebten Vorgesetzten über sich ergehen lässt.


BOERNE:
Der Job ist perfekt für Ihresgleichen. Kein Bücken bei der Ernte und es braucht nicht mehr als Ihre süßen kleinen Trippelschritte, um von einem Spargel zum anderen zu kommen.

Während die humorvollen Dialoge in Spargelzeit gewohnt köstlich ausfallen und das Drehbuch von Jürgen Werner (Klassentreffen) und Peter Zingler (Zielscheibe) den Fans gleich ein halbes Dutzend spaßiger Zitate liefert, lässt die eigentliche Rahmenhandlung um den Mord auf einem Spargelfeld aber etwas an Dynamik vermissen: Die Suche nach dem Mörder will nicht recht auf Touren kommen, zumal Pferde- und Ernährungsexperte Boerne immer wieder amüsante Vorträge über die Vorzüge des teuren Gemüses hält.

Spätestens, als er bei der Steigerung der männlichen Potenz ankommt, wird es aber selbst für Münster-Verhältnisse zu albern. So bringt einzig der Undercover-Einsatz von Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter), die Thiel als kopftuchtragende Spargelstecherin aufs Feld abkommandiert, ein wenig Schwung ins Geschehen.

Die halbherzige Sozialkritik an Niedriglöhnen für polnische Gastarbeiter verpufft hingegen ohne echten Denkanstoß. Als effektiver erweist sich da schon der Verdachtsmoment gegen „Vattern“ Herbert Thiel (Claus Dieter Clausnitzer), der Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Grossmann) gehörig auf Trab hält.

So ordnet sich Spargelzeit unterm Strich in der oberen Hälfte der Fälle aus Münster und auch noch knapp im grünen Bereich der Krimireihe ein.

Bewertung: 7/10


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