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Die Heilige

Folge: 774 | 3. Oktober 2010 | Sender: BR | Regie: Jobst Oetzmann

Bild: BR/Kerstin Stelter

So war der Tatort:

Weit weniger heilig, als es der Krimititel nahelegt, man könnte fast sagen: unheilig.

Die titelgebende Gefängnisaufseherin Marie Hoflehner (Anneke Kim Sarnau) ist nämlich alles andere als Die Heilige, die so mancher Häftling in ihr sieht: Sie verhilft dem inhaftierten Hassan Adub (Mehdi Nebbou) in einem Papiercontainer zur Flucht aus der berühmt-berüchtigten JVA Stadelheim, in der einst Adolf Hitler oder die Geschwister Scholl einsaßen – wie der Vollzugsbeamte Reisig (Peter Rappenglück, Wir sind die Guten) nicht ganz ohne Stolz betont.

Der 774. Tatort ist kein typischer Krimi, sondern eine Mischung aus Drogendrama, Knastthriller und klassischem Whodunit – daher quartieren sich die Münchner Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) diesmal auch nicht im Polizeipräsidium, sondern in einem muffigen Kellerraum der Justizvollzuganstalt ein. In der Höhle des Löwen ermittelt es sich eben am besten – und wenn im improvisierten Büro die Ratten aus der Kloschüssel zu klettern drohen, wird die im Abwasser steckende Toilettenbürste schon mal zur Alarmanlage umfunktioniert.

Leitmayrs Angst vor ungebetenen Nagern auf seinem Schreibtisch ist dann aber auch schon das Amüsanteste in diesem Tatort, in dem Regisseur Jobst Oetzmann (Im freien Fall), der gemeinsam mit Magnus Vattrodt (Herrenabend) auch das Drehbuch zum Film schrieb, dem Publikum nur wenige Momente zum Schmunzeln einräumt: Die Heilige ist ein harter und emotionaler Knastkrimi, in dem die knackig inszenierte Auftaktgeiselnahme von Häftling Nic Schuster (Sascha Alexander Gersak, Hydra) am Ende fast in Vergessenheit gerät.

Dass Schuster seinem Mithäftling Charly Bause (Heinz-Josef Braun) einleitend ein Messer an den Hals hält, hätte zwar allein schon Stoff für neunzig spannende Tatort-Minuten geboten – doch anders als im ähnlich gelagerten Kölner Tatort Franziska ist der Schwerverbrecher schon nach wenigen Minuten überwältigt und eine Nacht später an einer Überdosis Heroin verstorben. Mord?

Es ist nicht nur die Antwort auf die Täterfrage, die das Geschehen in der Folge vorantreibt – fast noch spannender als die Auflösung gestaltet sich das Schicksal von Wärterin Hoflehner und dem entflohenen Adub, die sich fernab der Haftanstalt schnell näherkommen.

Während Hoflehner an das Gute im Ausbrecher zu glauben scheint und Adub in sein Heimatland Algerien schicken möchte, trifft der sich lieber mit seinen alten Komplizen Alexis (Wolfgang Menardi, Tot bist Du!), Günni (Adam Jaskolka) und Tom-Tom (Ben Akkaya, Die Sonne stirbt wie ein Tier) zum Ausbaldowern neuer Taten.

Leider bleiben die drei Ex-Knackis – anders als ihr Ex-Kompagnon – klischeebeladene Abziehbilder, und auch der junge Deniz (Edin Hasanovic, Gegen den Kopf), den die Verbrecher unter ihre Fittiche genommen haben, gibt beim Verhör nur naive Teenie-Plattitüden zum Besten („Ich dachte immer, Gangster sein ist cool, aber ich bin kein Gangster.“).

Vielleicht sind es einfach ein paar Figuren zu viel in diesem Tatort, dem es bei den vielen Szenen ohne Batic und Leitmayr spürbar an einer Identifikationsfigur mangelt: Die toughe Fluchthelferin Hoflehner sammelt trotz ihrer vermeintlich guten Absichten kaum Sympathiepunkte, wenngleich die spätere Rostocker Polizeiruf 110-Kommissarin Anneke Kim Sarnau (Hundeleben) in dieser Rolle vor allem im Zusammenspiel mit Mehdi Nebbou (Der Finger) eine bärenstarke Leistung abliefert.

Der dramatische Showdown, zu dem die bis dato oft ratlosen Kommissare pünktlich am Ort des Geschehens auf der Matte stehen, reißt daher auch nur bedingt mit – und Die Heilige reicht trotz vieler toller Momente unter dem Strich nicht ganz an hochkarätige(re) Knastkrimis wie Wer das Schweigen bricht heran.

Bewertung: 7/10


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