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Schmale Schultern

Folge: 771 | 12. September 2010 | Sender: WDR | Regie: Christoph Schnee

Bild: WDR/Uwe Stratmann

So war der Tatort:

Therapeutisch.

In Schmale Schultern beschränkt sich der Kreis der Tatverdächtigen nämlich auf zwei (Ex-)Familien, deren Mitglieder fleißig miteinander streiten und einander die Krätze an den Hals wünschen – und so dürfen sich die Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) wie später in Familienbande, Trautes Heim oder Der Fall Reinhardt als Therapeuten versuchen.

Da sind zum einen die geschiedenen Jens (Pierre Besson, Schwarzer Peter) und Claudia Otten (Nina Petri, Leerstand) sowie ihre Kinder, die aufmüpfige Teenager-Göre Laura (Michelle Barthel, Hinkebein) und der kleine Benjamin (Mateo Wansing Lorrio): Jens Otten wollte eigentlich seine neue Freundin Regina Scheffler heiraten und seiner Ex-Frau den Unterhalt kürzen, weshalb sich die beiden immer wieder auf Kosten der Kinder heftig gestritten hatten – doch die schwangere Scheffler wurde aus dem Fenster ihrer Wohnung gestoßen und Otten vermutet, dass seine Tochter Laura und ihr Freund Patrick Cosca (Ben Unterkofler) etwas mit dem Mord zu tun haben.

Auch zwischen dessen Eltern Maria (Sema Meray, Schützlinge) und Ralf (Thomas Sarbacher, Frohe Ostern, Falke) kriselt es gewaltig, denn Ralf wird ein Verhältnis mit dem Opfer nachgesagt. „Der Täter hat das Opfer gekannt“, bringt Ballauf das früh Offensichtliche auf den Punkt und vermittelt noch an einer anderen Front zwischen zwei zerstrittenen Parteien derselben Familie: Zwischen Schenk und seiner Tochter Melanie (Karoline Schuch), die sich im Urlaub einen durchtrainierten Surflehrer (Gerdy Zint, Dunkelfeld) angelacht hat und ihn kurzerhand bei sich und ihrer kleinen Tochter einziehen lässt, obwohl sie ihn erst seit zwei Wochen kennt.


MELANIE:
Kannst froh sein, dass Max mit mir geredet hat, sonst würde ich hier nicht stehen.

FREDDY:
Wieso mischt sich der denn schon wieder ein?



MELANIE:
Er ist Teil der Familie!


Unterm Strich verstehen sich die Ermittler in diesem Krimi unter Regie von Christoph Schnee (Trautes Heim) trotzdem noch am Besten, was selbst für den Kölner Tatort untypisch ist. Dadurch bleiben sie aber eher blass: Während sich Schenk über die Naivität und den Männergeschmack seiner Tochter echauffiert, führt Ballauf einen einsamen Kampf gegen den miserablen Kaffee im Präsidium, der in einer ziemlich müden Pointe gipfelt.

Die Drehbuchautoren Jürgen Werner (Tanzmariechen), Stephan Wuschansky und Ulrich Brandt haben die Nebenfiguren deutlich interessanter angelegt, weil diese den nötigen Tiefgang mitbringen: Die im Kölner Tatort häufig zu beobachtende Schwarz-Weiß-Malerei bleibt bei der Charakterzeichnung aus und die Motive der geschiedenen Ottens sind für den Zuschauer nachvollziehbar. Überhaupt ist das Thema Scheidung und deren Auswirkungen auf die Finanzen der einstigen Eheleute relativ unverbraucht, was für frischen Wind in der Krimireihe sorgt.

Positiv hervorzuheben sind außerdem die Schauspieler: Jungschauspieler Mateo Wansing Lorrio darf in den Anfangsminuten mit sichtlicher Freude ein Vokabular im Stile des späteren Hamburger Tatort-Kommissars Nick Tschiller (Til Schweiger) vortragen („Ficken, ficken, fick dich!“) – zugleich zeigt seine anrührende Darstellung des Scheidungskinds, das nach der Trennung seiner Eltern plötzlich wieder ins Bett nässt, wie stark Kinder von einer solchen Situation beeinflusst werden können.

Neben den uninspirierten Privatgeschichten der Ermittler hat Schmale Schultern aber noch weitere Schwachstellen: Allzu häufig darf Kommissar Zufall mitermitteln – zum Beispiel dann, wenn anfangs niemand die veränderte Position der Mülltonnen am Tatort bemerkt und Ballauf später beiläufig von einer Nachbarin darauf hingewiesen wird.

Andere Szenen sind ziemlich lachhaft: Schenk springt auf eine Lokomotive auf, um einen Verdächtigen zu verfolgen – dabei scheint sich der Lokführer (der bekanntlich die Bremse bedient) weder an dem blinden Passagier, noch an zwei rennenden Personen auf den Gleisen zu stören. Der Flüchtende versucht zudem, schneller vor der Lok wegzulaufen, bis ihn Schenk schließlich am Kragen packt, dabei hätte er doch nur zur Seite laufen müssen. Logikfehler sind in der Fiktion zwar kaum unvermeidbar, doch schmälern sie das Vergnügen erheblich, wenn sie wie hier fast slapstickhafte Züge annehmen.

Unterm Strich ist der 771. Tatort damit ein solider Durchschnittskrimi, der vor allem mit vielschichtigen Charakteren und dem bis dato im Tatort recht unverbrauchten Scheidungsthema punktet.

Bewertung: 5/10

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