Bild: NDR/Christine Schroeder

Vergessene Erinnerung

Folge 755

31. Januar 2010

Sender: NDR

Regie: Christiane Balthasar

Drehbuch: Dirk Salomon, Ulf Tschauder, Thomas Wesskamp

So war der Tatort:

Zum Vergessen.

Das beginnt schon beim pseudotiefsinnigen Krimititel Vergessene Erinnerung, der auf eine folgenschwere Gedächtnislücke von Unfallopfer Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) anspielt, setzt sich fort beim fiktiven Schauplatz der Handlung, dem kleinen Emslandnest Volsum (gibt es denn keine drehtauglichen echten Dörfer in holländischer Grenznähe?), und gipfelt trotz eines spannenden Auftakts und netter Mystery-Elemente in einem hanebüchenen Finale, das den 755. Tatort qualitativ binnen Minuten komplett in Schutt und Asche legt.

Was für ein Ärgernis.

Regisseurin Christiane Balthasar (Salzleiche) ist dabei noch der geringste Vorwurf zu machen: Vor allem die erste Viertelstunde, in der die LKA-Kommissarin ihren Dienstwagen an eine solide deutsche Eiche setzt, verwandelt sie wirkungsvoll und gekonnt in einen spannenden Gruseltrip – durchaus ungewohnt für einen niedersächsischen Tatort. Auch später ist Balthasar sichtbar um Mystery-Atmosphäre bemüht, baut Zeitlupen und sogar rückwärts laufende Sequenzen ein, hüllt Lindholms Erinnerungsbrocken in düstere Bilder und lässt die Ermittlerin und damit auch das Publikum an ihrer eigenen Wahrnehmung zweifeln.

Gegenüber dem wirren Drehbuch, das eine überflüssige Brücke in die Vergangenheit schlägt und Lindholms Schädel-Hirn-Trauma mit dem Ablegen der hübschen Halskrause von jetzt auf gleich für kuriert erklärt, steht die Filmemacherin aber auf verlorenem Posten. Am Ende muss allen Ernstes eine riesige unterirdische Profi-Hanfplantage im verschlafenen Emsland als entscheidender Twist herhalten – das ist so bescheuert, dass es schon wieder amüsiert.

Ob es daran liegt, dass mit Dirk Salomon (als Schauspieler bekannt aus zahlreichen Bienzle-Fällen), Ulf Tschauder und Thomas Wesskamp (Der Fall Schimanski) gleich drei Autoren am Skript gearbeitet haben, fällt ins Reich der Spekulation – sicher ist aber, dass auch dieses Autorentrio daran scheitert, Lindholms Sohn David (Robin Baran Birdal) auch nur halbwegs sinnvoll und glaubwürdig in die Geschichte zu integrieren: Hat Martin Felser (Ingo Naujoks) seinen Job als Ersatzmutter wieder einmal erledigt und seiner viel beschäftigten Mitbewohnerin den überflüssigen Ballast auf zwei Beinen in die Arme gedrückt, klingelt in schöner Regelmäßigkeit das Handy, damit die Kommissarin auch ja nicht auf die Idee kommt, ein wenig Zeit mit ihrem Kleinen zu verbringen.

Dass Krimiautor Felser spontan geplante Lesereisen absagt, um den Babysitter zu spielen, mag ihm abkaufen, wer will, letztlich waren es aber wohl Tropfen wie diese, die das Fass für den unterforderten Schauspieler Naujoks zum Überlaufen brachten. „Es ging für den Charakter von Martin einfach nicht mehr weiter“, klagte Naujoks in der BILD-Zeitung, warf als Tatort-Darsteller das Handtuch und hat diese richtige Entscheidung sicherlich nie bereut.

Falsch liegen hingegen Zuschauer, die glauben, dass in Vergessene Erinnerung zur Abwechslung vielleicht mal nicht das prominenteste Gesicht im Casts auch den/die Mörder/in spielt – unterirdische Marijuanabetriebe sind auch schon wahrlich genug Innovation für einen Tatort aus Niedersachsen, der bis heute zu den schwächsten Fällen mit Charlotte Lindholm zählt.

Bewertung: 2/10


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