Folge 751
3. Januar 2010
Sender: HR
Regie: Florian Schwarz
Drehbuch: Michael Proehl, Matthias Tuchmann
So war der Tatort:
Grandios.
Weil sie böse sind, der vorletzte Einsatz der Frankfurter Hauptkommissare Fritz Dellwo (Jörg Schüttauf) und Charlotte Sänger (Andrea Sawatzki), ist zum Zeitpunkt seiner Erstausstrahlung nämlich der beste Tatort aller Zeiten – und das gleich aus mehreren Gründen.
Bei diesem ausgefallenen, später zu Recht mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichneten Fadenkreuzkrimi stimmt einfach alles – was nicht zuletzt daran liegt, dass die beiden Drehbuchautoren Michael Proehl (Borowski und der coole Hund) und Matthias Tuchmann gekonnt mit zahlreichen eisernen Tatort-Prinzipien brechen.
Ohne die Abkehr vom klassischen Whodunit-Schema wäre die außergewöhnliche Geschichte, die der 751. Tatort erzählt, auch kaum denkbar: Die Ermittlungen von Dellwo und Sänger, in die sich Staatsanwalt Dr. Scheer (Thomas Balou Martin) deutlich engagierter einklinkt als der bald aus dem Polizeidienst ausscheidende Rudi Fromm (Peter Lerchbaumer), spielen hier eine vollkommen untergeordnete Rolle. Sie sind fast nur schmückendes Beiwerk einer Geschichte, in der das Publikum dem Mörder (!) die Daumen drückt, mit ihm fühlt und mit ihm leidet.
Der alleinerziehende Vater Rolf Herken (einmal mehr überragend: Milan Peschel, Der Hammer) gerät nach einer blutigen Kurzschlussreaktion unfreiwillig ins Zentrum eines tödlichen Feldzugs in elitären Familienkreisen, aus dem es für ihn und seinen autistischen Sohn Manuel (Paul Busche, Oben und Unten) kein Entkommen mehr gibt.
Regisseur Florian Schwarz (Waffenschwestern), der mit Drehbuchautor Proehl später auch den besten Tatort aller Zeiten konzipiert, kann sich dabei nicht nur auf seinen großartigen Cast um Adele Neuhauser (später als Bibi Fellner im Wiener Tatort zu sehen) und Sandra Borgmann (Fette Krieger) verlassen, sondern auch auf ein denkwürdiges Dialogfeuerwerk: In Weil sie böse sind jagt eine geniale Zeile die nächste. So verbittet sich etwa Dellwo beim Verhör von Zuhälter Mike Staupen (charismatisch: Peter Davor, Unsterblich schön) das Duzen.
Ansonsten reibt sich der Kommissar und Junggeselle vor allem im zunehmend offen schwelenden, amüsanten Beförderungskonflikt mit Sänger auf, der in Form von Passivrauchen und Radiomusik im Büro eskaliert, während in der Mainmetropole ein groteskes Gewitter aus Gewalt und Dekadenz aufzieht.
Einer stiehlt in diesem fantastischen und dabei nie ausrechenbaren Tatort aber allen die Show: Der blendend aufgelegte Kinostar und spätere Filmemacher Matthias Schweighöfer (Gewaltfieber) überzeichnet seinen ebenso arroganten („Ich hab… mehrere Autos?“) wie hilfsbereiten („Die zwei sind ledig… und jetzt kommst du.“) Millionärssohn Balthasar Staupen bereits in der Einleitung köstlich und stellt eindrücklich unter Beweis, dass er sich trotz seiner Leinwanderfolge (noch) nicht zu schade für den Tatort ist. Ein absoluter Gewinn: Heute ist Schweighöfer, der sich später auch als Regisseur und Musiker versucht, ein Star – köstliche Auftritte wie dieser legten einst den Grundstein dafür.
Weil sie böse sind ist aber vor allem aufgrund des fantastischen Drehbuchs und einer konsequent zu Ende gedachten und gebrachten Geschichte ein absoluter Meilenstein der Tatort-Geschichte, an dem sich von 2010 an alle anderen Folgen der öffentlich-rechtlichen Krimireihe messen lassen müssen.
Bewertung: 10/10
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