Folge: 736 | 7. Juni 2009 | Sender: SWR | Regie: Didi Danquart
Bild: SWR/Schweigert |
So war der Tatort:
Intern.
Denn Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) steht unter Verdacht. Das musste ja so kommen. Seine Vorliebe für schicke Autos, seine Anlage zum Flirten, verwobene Kontakte in der See- und Hafenstadt Konstanz, die natürlich auch eine Drogenszene hat.
Das Intro erinnert an die Tatort-Folgen der 80er Jahre, viele Großaufnahmen, Figuren, die durch ihre Wohnung laufen und gerade dabei sind, sich umzuziehen. Auch der 80er-Jahre-Falco-Schlager Drah di net um – Der Kommissar geht um erklingt an zentraler Stelle. Und genau darum geht es auch: Der Kommissar geht um. Perlmann wechselt in diesem Bodensee-Tatort auf die andere Seite der Ermittlungen.
In einer überschaubaren Stadt wie Konstanz, in der man sich kennt, war es vielleicht auch nur eine Frage der Zeit, bis sich der notorisch auf Freiersfüßen wandelnde Perlmann mal in eine Frau verlieben würde, die im Zentrum eines Kriminalfalls steht (wie später auch in Letzte Tage) und in der Gerichtsmedizin obduziert wird.
Als Kontrast zur Welt der Diskotheken, Luxusboote und Drogen wird der biedere Polizeialltag inszeniert: Zwei Polizeischüler sollen im Dezernat von Hauptkommissarin Klara Blum (Eva Mattes) erste Praxiserfahrungen sammeln – Oliver Urbanski als Kommissarsanwärter Karl Mackert und Hanno Koffler, der bereits bei seinem Tatort-Debüt in der Lindholm-Folge Dunkle Wege einen Polizeischüler spielte, als Kommissarsanwärter Moritz Fleiner.
Das Drehbuch stammt von Susanne Schneider (Der schöne Schein), die damit ihre dritte Geschichte für das Team aus Konstanz vorlegt (und gemeinsam mit Thorsten Näter bereits das Drehbuch zu Dunkle Wege schrieb).
Perlmann genießt seine Rolle als erfahrener Hauptkommissar vor den Anfängern, als die Nachricht von der Entdeckung der ermordeten Drogensüchtigen Constanze Heinrich (Lea Draeger, Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes) das Büro erreicht, bei deren Erwähnung ein erfreutes Grinsen auf dem Gesicht des Jahrgangsbesten der Fachhochschule für Verwaltung und Recht aufleuchtet:
MACKERT:
Wie, ein Mord oder was?
BLUM:Ja.
PERLMANN:Wir sind hier ja auch bei der Mordkommission. Jetzt wird’s ernst, Freunde. Schule ist vorbei.
MACKERT:
Super.
In der Folge schleppt sich Im Sog des Bösen mit zwei verschiedenen Handlungssträngen gemächlich voran: Da sind zum einen die internen Verwicklungen um Perlmann und die jungen Anwärter, Oberstaatsanwalt Bernd Frentz (Wolfram Koch, der ab 2015 als Hauptkommissar Paul Brix in Frankfurt ermittelt) und Ehefrau Kerstin, die eine gute Freundin Klara Blums ist und von Anna Stieblich (Der hundertste Affe), der Ehefrau des Regisseurs Didi Danquart, gespielt wird.
Auf der anderen Seite ein internationales Drogenkomplott, das sich mit der Konstanzer Halbwelt vermischt. Leider kommen beide Stränge kaum zusammen und gewinnt der letztere der beiden wenig an Kontur.
Dafür verdichten sich die komplexen Abhängigkeitsverhältnisse im Polizeipräsidium: Blum hat wenig Zeit, sich in ihren neuen Massagesessel zurückzulehnen, den sie zum gerade erst gefeierten 25-jährigen Dienstjubiläum geschenkt bekommen hat. Sie versucht, Perlmann aus der Schusslinie zu halten, aber die Loyalitäten zwischen den Mitarbeitern schaukeln sich mithilfe des Flurfunks auf.
Zwischen „Dienst nach Vorschrift“ und „korrektem Ermitteln“ bewegt es sich auf einem schmalen Grat, und das gesamte Team absolviert aus Solidarität mit Perlmann eine Speichelprobe im überfüllten Labor: Kostet sowas nicht viel Geld und wird daher nur auf Anordnung durchgeführt?
Neben altmodischen Handys und kleineren Abweichungen bei der Charakterzeichnung (in anderen Bodensee-Folgen hört Perlmann lieber Techno) ist das nicht die einzige Ungereimtheit – sogar ein Anachronismus wie eine Essensmarke der Polizeikantine in Papierform taucht auf (gab es sowas 2009 wirklich noch?).
Ferner bekommen wir eine Großaufnahme von Perlmanns Stirnfalte zu sehen, auf die sich die Kamera eine halbe Minute lang einzoomt – und weil auch das Privatleben des Kommissars unter die Lupe genommen wird, ist der 736. Tatort vor allem im Hinblick auf die Figurenentwicklung interessant. Wir erhalten Einblicke in seine kühl-weiße Wohnung mit Designmöbeln, die auch im Laufe der Ermittlungen zur Sprache kommen. Natürlich darf auch ein Kleiderständer mit Anzügen in gedeckten Farben in seinen vier Wänden nicht fehlen. Außerdem erfahren wir Perlmanns zweiten Vornamen: Lorenz.
Auch das muntere Hin und Her, wer nun wen siezt oder duzt – die Polizeianwärter nennen Beckchen (Justine Hauer) brav „Frau Beck“ – wird hier auf die Spitze getrieben. Es bleibt lange unklar, wer der Täter ist, auch wenn sich die verdächtigen Verhaltensweisen der beteiligten Mitarbeiter verdichten und sich Privates und Berufliches auf allen Ebenen miteinander vermischt. Im Zentrum dieser Tatort-Folge steht jedoch nicht nur die Suche nach der Auflösung, sondern auch das erschütterte Vertrauensverhältnis von Blum und Perlmann.
Und gegen Ende gewinnt Im Sog des Bösen sogar noch mal an Fahrt, als im Laufe einer Verhörsequenz die Fronten wechseln, und zwar sowohl vor als auch hinter der Glasscheibe.
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