Folge: 695 | 20. April 2008 | Sender: WDR | Regie: Kaspar Heidelbach
Bild: WDR/Michael Böhme |
So war der Tatort:
Müllfixiert.
Denn der Krimititel deutet es bereits unmissverständlich an: In diesem Kölner Tatort dreht sich alles um Müll. Da gibt es verarmte Müllsammler, die auf der Suche nach weggeworfenen Schätzchen in Deponien einsteigen, die böse Müllmafia und gierige Müllkonzerne, die mit dem Entsorgten den großen Reibach machen, und sogar radioaktiven Giftmüll, der auf der Müllkippe von Peter Esser (Matthias Redlhammer, Trautes Heim) gefunden wird und dessen Angestellte in Gefahr bringt.
Radioaktiver Giftmüll aus Osteuropa, getarnt als Bio-Schlamm, mitten in der Domstadt? Schwer vorstellbar, aber man findet ja zum Glück noch etwas Realistischeres auf Essers Deponie: den verbrannten Torso einer bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten Frau, die zunächst nicht identifiziert werden kann.
Wie praktisch, dass Hauptkommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) einleitend auf dem Gehweg fast von Müllsammler und Mopedfahrer Willy (Hans Diehl, Dornröschens Rache) über den Haufen gefahren wird: So lernen er und Kollege Freddy Schenk (Dietmar Bär), der diesmal eine schmucke schwarze Corvette als Dienstwagen nutzt und einem Verdächtigen auf Willys restaurierter NSU Quickly nachjagt, einmal mehr jemanden aus der Szene kennen, der ihnen bei den anschließenden Ermittlungen beratend zur Seite steht. Eine ähnliche Ausgangslage kennzeichnet zum Beispiel den ebenfalls von Kaspar Heidelbach inszenierten Obdachlosen-Krimi Platt gemacht.
Rein zufällig läuft Willy den Beamten auch mehrfach an ihrer Stamm-Wurstbraterei über den Weg, die diesmal auffallend häufig Schauplatz des Geschehens ist – und während sich Ballauf und Schenk noch in Spekulationen über die
skrupellose Müllmafia verlieren und die Längen mit halbherzigen Witzchen überbrücken, werden geübte Krimi-Zuschauer den wahren Täter
längst erahnen.
BALLAUF:
Die meisten Blondinen sind gefärbt, Freddy. Haste das nicht gewusst?
SCHENK:Ich achte eben mehr auf die inneren Werte.
Drehbuchautor Achim Scholz möchte ein bisschen viel in seinem ersten und bisher letzten Tatort unterbringen: Neben den Ermittlungen gegen die Mafia und der oberflächlichen Studie des von Armut und Einsamkeit geprägten Sammlermilieus erzählt Scholz auch von den liierten Landschaftsgärtnern Frank Weber (Wotan Wilke Möhring, Pauline) und Katja Krumme (Elena Uhlig, Liebe macht blind) sowie Webers pubertierendem Sohn Dennis (Frederick Lau, Eine bessere Welt). L
eider bietet dieses Familiendrama den unterforderten Schauspielern nur wenig Möglichkeiten, sich zu entfalten: Die meisten Figuren bleiben eindimensional und geben nur müde Lebensweisheiten zum Besten („In dem Alter sind sie so.“).
Der 695. Tatort kommt erst gegen Ende in Fahrt, weil sich eine Befragung an die nächste reiht und kleinere Nebenhandlungen in den Vordergrund rücken. Während sich Müllsammler Willy mit Putzfrau Jutta (Ein Herz und eine Seele-Star Hildegard Krekel, Eine todsichere Sache) verlobt, muss Ballauf aus seinem Hotelzimmer ausziehen und schwelgt beim Anblick alter Fotos in Erinnerungen.
Mit den Machenschaften der Müllmafia, die 2014 auch die Bremer Kollegen in Alle meine Jungs beschäftigt, hat das alles nicht viel zu tun – was schade ist, denn Entsorgungskriminalität ist als Thema zwar nicht unbedingt neu (vgl. den Berliner Tatort Buntes Wasser von 1996), hätte aber bei intensiverer Aufarbeitung durchaus Potenzial geboten.
Völlig fehl am Platz wirkt zudem die eingestreute Wohlfühlmusik, die man so auch in einer Seifenoper finden könnte: Beispielhaft dafür steht eine eigentlich traurige Szene am Ende, die mit seichtem Gedudel unterlegt wird. Scheinbar kann ein nachdenklich stimmender Kölner Tatort einfach nicht ohne versöhnliches Happy End auskommen – auch die Dialoge fallen hier viel zu harmonisch aus.
Die starken und witzigen Momente lassen sich somit an einer Hand abzählen: Schenk fragt Willy nach der Herkunft eines angeboten Getränks („Auch vom Müll?“ – „Ja.“), und Wotan Wilke Möhring spielt in seiner Nebenrolle als Frank Weber – unbeabsichtigt, versteht sich – sogar auf sein späteres Debüt als LKA-Ermittler Thorsten Falke in Hamburg an.
WEBER:
Geht bei Esser wieder der Feuerteufel um?
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