Folge: 651 | 1. Januar 2007 | Sender: WDR | Regie: Thomas Stiller
Bild: WDR/Michael Böhme |
So war der Tatort:
Brenzlig – und zwar in erster Linie für Hauptkommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt).
Die Blume des Bösen beginnt nicht wie gewohnt mit einem Mord, sondern mit einem Anschlag auf den Kölner Ermittler: Ein Unbekannter schickt Ballauf einen Umschlag, aus dem beim Öffnen im Präsidium eine gelbliche Flüssigkeit in sein Gesicht spritzt.
Doch damit nicht genug: Der Täter, der die vermeintliche Säure-Attacke vorher telefonisch angedeutet hatte, fordert ihn zu einem Spiel um Leben und Tod heraus. Schafft es Ballauf nicht, die ihm gestellten Prüfungen und Rätsel zu lösen, stirbt eine Person aus seinem Bekanntenkreis. Zum Beweis taucht kurz nach dem Anschlag die Leiche einer ehemaligen Geliebten auf – dekoriert mit roten Lilien.
Da sind sie also, Die Blume des Bösen und die obligatorische Auftaktleiche, und doch ist der 651. Tatort einer der ungewöhnlichen Sorte: Die Story lebt nicht von der Suche nach dem Mörder, sondern von der Frage nach seinem nächsten Opfer. Ballauf und seinem Kollegen Freddy Schenk (Dietmar Bär) bleibt bei ihrem 36. gemeinsamen Fall nur wenig Zeit, um durchzuatmen. In bester Stirb langsam 3-Manier hetzt Ballauf mit einer Tasche voller Geld durch die Großstadt, angetrieben vom unbekannten Anrufer.
Und als wäre ein rachsüchtiger Jigsaw-Verschnitt („Ich möchte ein Spiel mit Ihnen spielen, Ballauf!“) nicht schon stressig genug, taucht aus heiterem Himmel Ballaufs Cousine Beatrice (Nadeshda Brennicke, Rendezvous mit dem Tod) auf und bittet ihn darum, während ihres Krankenhausaufenthalts auf seine Nichte Anna (Luzie Kurth) aufzupassen. Der ewige Junggeselle meistert die Aufgabe als Ersatz-Papa überraschend gut – und gewährt sentimentale Einblicke in eine Vergangenheit, in der er selbst nie Vater werden wollte.
BALLAUF:
Ich hab‘ wahrscheinlich Angst gehabt. Angst vor ihrer Einsamkeit und dieser unheimlichen Sehnsucht, geliebt zu werden.
Drehbuchautor und Regisseur Thomas Stiller (Frohe Ostern, Falke) inszeniert einen fast durchgängig spannenden Krimi. Im Gegensatz zu den meisten anderen Tatort-Folgen steuert der Film aber nicht nur auf einen großen Showdown am Ende zu: Gleich mehrere verteilen sich auf die 90 Minuten.
Die Hauptdarsteller Behrendt und Bär können bei dieser Gelegenheit zeigen, dass ihre Charaktere mehr können, als nur Zeugen zu befragen und Currywurst zu essen. Jürgen Schornagel (Todesbande) gibt als Bösewicht Kuschmann den sadistischen Kontrahenten – doch spätestens auf der Zielgeraden entgleitet ihm seine Rolle als eindimensionaler Psychopath ins Überzeichnete.
Den Gegenpol zum einmal mehr aufbrausenden Ballauf bildet Schenk, der seinem Partner besonnen und ohne Wenn und Aber zur Seite steht. Dass den Ermittlern in einer solchen Ausnahmesituation Fehler unterlaufen, ist zu verschmerzen, doch birgt das Drehbuch unübersehbare Schwächen: Während der erste Umschlag noch akribisch im Labor auf schädliche Substanzen untersucht wird, werden alle weiteren Botschaften des Killers einfach ungeprüft an Ballauf weitergereicht. Später kämpft sich eine Gruppe Ermittler durch drei Säcke geschredderter Fotos, ohne eine bestimmte Person vorher fragen, ob sie denn überhaupt fotografiert worden ist.
Hinzu kommen einige Nebenkriegsschauplätze, die von dem fesselnden Katz-und-Maus-Spiel zwischen Ballauf und Kuschmann ablenken: Am befremdlichsten wirkt eine fast aberwitzige, überhaupt nicht zum angeschlagenen Erzählton passende Sequenz in der Pathologie, in der Rechtsmediziner Dr. Joseph Roth (Joe Bausch) die Kommissare darauf hinweist, dass er Geburtstag habe und gerade von seiner Frau verlassen worden sei.
Die Reaktion der Kommissare fällt verhalten aus – ganz anders als dieser emotional aufgeladene und unter dem Strich sehr unterhaltsame Krimi-Thriller, der insgesamt aber zu konstruiert wirkt. An ähnlich gelagerte Hochkaräter wie den herausragenden Batu-Fall Häuserkampf reicht Die Blume des Bösen damit nicht ganz heran.
Bewertung: 7/10
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