Dass LKA-Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) bei ihren Ausflügen in die niedersächsische Provinz in der Regel von der ortsansässigen Dorfpolizistin – diesmal: der auffallend unterwürfigen Katharina Lichtblau (Johanna Gastdorf, Gestern war kein Tag) – unterstützt wird, ist zwar nichts Neues. Doch die Besetzung von Pauline ist aus heutiger Sicht besonders bemerkenswert.
Neben Furtwängler zählen nämlich auch zwei spätere Tatort-Kommissare zum Cast: Martin Wuttke (Todesstrafe),der ab 2008 als Hauptkommissar Andreas Keppler mit Eva Saalfeld (Simone Thomalla) in Leipzig auf Täterfang geht, und Wotan Wilke Möhring (Mord auf Langeoog), der als Bundespolizei-Ermittler Thorsten Falke ab 2013 in Norddeutschland zum Einsatz kommt, sind in der Rolle als Vater und Freund des Opfers ebenso mit von der Partie wie viele weitere prominente deutsche TV-Gesichter.
Corinna Harfouch (Die Ballade von Cenk und Valerie) mimt Martha Kandis, die Mutter des Opfers, Max Mauff (Kleine Herzen) den Jugendlichen Moritz, Anna Maria Mühe (Stille Wasser) die große Schwester Nele, Thomas Arnold (Eine andere Welt) den an einer Kussphobie leidenden Patenonkel Guntram Schollenbruch und Max Herbrechter (Quartett in Leipzig) den Dorfpfarrer Melchior Lichtblau, der nicht weiß, wie er seiner aufgeschreckten Gemeinde den Tod der 12-jährigen Pauline (Nelia Novoa) begreiflich machen soll.
Denkt man an das ungeschriebene Tatort-Gesetz, dass der prominenteste Nebendarsteller meist den Mörder mimt, genießt der 640. Tatort also einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Die TV-Stars geben sich praktisch die Klinke in die Hand und die Auflösung fällt schwer wie selten.
Drehbuchautorin Martina Mouchot (Sonne und Sturm) und Regisseur Niki Stein (Das Böse) konstruieren nahe der niedersächsischen Samtgemeinde Jesteburg einen Whodunit der klassischsten, wenn auch selten wirklich spannenden Sorte: Eine Handvoll Verdächtiger, die alle mehr oder weniger starke Tatmotive mitbringen, eine knappe, aber präzise Einleitung, in der sich die verschiedenen Dorfbewohner zu Wolle-Petry-Coversongs auf dem Dorffest betrinken, und bodenständige Ermittlungsarbeit, bei der die grippegeschwächte Lindholm diesmal weniger fleißig von ihrem Mitbewohner Martin Felser (Ingo Naujoks) unterstützt wird. Der ist gesundheitlich nämlich gehandicapt und spielt zu Reha-Zwecken lieber mit drei Rentnerinnen Doppelkopf, als Charlotte bei der Tätersuche zur Hand zu gehen.
Diese nervtötenden und leider gänzlich witzlosen Spannungskiller hätte man besser aus dem Drehbuch gestrichen – eine Folge ohne Naujoks, der die hoffnungslos überzeichnete Rolle als treudoofer Schriftsteller 2010 frustriert niederlegt, hätte dem Tatort aus Hannover auch 2006 schon gut zu Gesicht gestanden. Außer Naujoks wird aber auch der Rest der prominenten Darstellerriege – allen voran die vollkommen verschenkte Anna Maria Mühe – selten gefordert: Einzig Martin Wuttke darf in der Rolle als trauernder Vater angetrunken durch die Dorfkneipe berserkern.
Und Furtwängler? Die lässt sich tatsächlich bei einem harmlosen Stiefel-Fehltritt in den Bach, an dem die Leiche gefunden wird, doublen (einfach mal auf Schnitt und Kameraführung achten): Die Füße könnten ja nass werden. Pauline ist dennoch sehenswert – ein bisschen holprig inszeniert, aber prominent besetzt und mit einer kniffligen Auflösung gesegnet.
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