Folge: 555 | 18. Januar 2004 | Sender: SWR | Regie: Jürgen Bretzinger
Bild: SWR/Hollenbach |
So war der Tatort:
Staubig.
Große Teile von Bitteres Brot – der Krimititel deutet es bereits an – spielen nämlich in den Arbeitsräumen einer Backstube, in denen es so lecker nach Brötchen duftet, dass sich die Konstanzer Hauptkommissarin Klara Blum (Eva Mattes) den Duft am liebsten als Parfum zulegen würde. Doch damit nicht genug: Die dünne Mehlschicht auf dem Fußboden, die sich bis in die Kellerräume erstreckt, liefert der Ermittlerin den entscheidenden Hinweis auf den Hauptverdächtigen, weil dieser verräterische Sohlenabdrücke am Tatort hinterlässt.
In Zeiten von High-Tech-Profiling und akribischen DNA-Analysen eine angenehme Rückkehr zu den Wurzeln der guten alten Detektivarbeit, wenngleich es Drehbuchautorin Dorothee Schön (Der Wald steht schwarz und schweiget) am Ende mit dem Spurenlesen ein wenig übertreibt. Dafür konstruiert die Filmemacherin gleich zwei geniale, herrlich diabolische Todesfallen: Den Backofen, der sich von innen nicht öffnen lässt und das erste Mordopfer bei über 200 Grad röstet, und einen Mehlspeicher, der beim Showdown zum nicht minder gefährlichen Gefängnis wird.
Ganz nebenbei lernt der Zuschauer auch noch den Unterschied zwischen Qualitätsmehl und dem billigen Pulver, das in Großbetrieben verwendet wird – der obligatorische Seitenhieb auf die Backindustrie und das Aussterben kleiner Handwerksbetriebe bleibt natürlich nicht aus.
Sehenswert ist der von Regisseur Jürgen Bretzinger (Undercover Camping) inszenierte 555. Tatort aber nicht nur aufgrund seines interessanten Schauplatzes und der Tatsache, dass Klara Blum zum ersten Mal Seite an Seite mit ihrem neuen Kollegen Kai Perlmann (Sebastian Bezzel, zuvor bereits in einer winzigen Rolle im Münchener Tatort Norbert zu sehen) ermittelt: Mit von der Partie ist auch die großartige Julia Jentsch, die zum ersten und bis heute letzten Mal in einem Tatort zu sehen ist.
Wenige Monate vor ihrem Leinwanddurchbruch mit Die fetten Jahre sind vorbei und ihrer herausragenden Performance in Sophie Scholl – Die letzten Tage spielt sich der spätere Theater- und Arthouse-Star in der Rolle der misshandelten Johanna Kemmerlang nachhaltig in den Vordergrund und glänzt vor allem in den emotionalen Gesprächen mit Blum, der sie unter Tränen ihr Herz ausschüttet.
Da mit dem gerade aus der Haft entlassenen Vater Eberhard Kemmerlang (Ulrich Gebauer, Der Finger) nur ein einziger Verdächtiger wirklich als Mörder in Frage kommt, dreht sich bald alles um die Frage: War er es wirklich oder hat seine Tochter alles nur inszeniert? Bis zum spannenden Finale kann sich der Zuschauer nie ganz sicher sein, ob er nicht auf eine große Lügengeschichte hereinzufallen droht.
Das macht Bitteres Brot zu einem vergleichsweise einfach gestrickten, aber sehr unterhaltsamen Tatort, bei dem sich die verwitwete Blum, die schmachtende Annika „Beckchen“ Beck (Justine Hauer) und der hobbygolfende Junggeselle Perlmann einleitend ein wenig beschnuppern und frotzeln dürfen.
Bewertung: 7/10
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