Folge: 554 | 4. Januar 2004 | Sender: rbb | Regie: Ralph Bohn
Bild: ARD Degeto/RBB |
So war der Tatort:
Unparteiisch. Denn obwohl der federführende rbb in Eine ehrliche Haut zum Auftakt gleich mal live in eine Gesprächsrunde der damaligen Talkshow-Queen Sabine Christiansen schaltet und die beiden ambitionierten Politiker Manfred Körner (Heikko Deutschmann, Tödlicher Einsatz) und Heinrich Paulsen (Dietrich Mattausch, Haie vor Helgoland) vor laufender Kamera aufeinander loslässt, vermeidet es der Sender doch akribisch, die parteipolitische Zugehörigkeit der beiden rivalisierenden Spitzenkandidaten für den Parteivorsitz in irgendeiner Form anzudeuten oder gar zu formulieren.
Trotz der Gastauftritte von CDU-Politiker Laurenz Mayer und Rezzo Schlauch von Bündnis 90/Die Grünen will man als öffentlich-rechtliche Sendeanstalt natürlich keine Stellung beziehen – und eine fiktive Partei wäre ja schließlich noch viel lächerlicher. Dennoch wirken dadurch sowohl die einleitende Talkrunde als auch die spätere Berichterstattung in ohnehin wenig authentischen TV-Formaten mit Titeln wie „news update“ arg gekünstelt.
Eine schwere Bürde, die dem 554. Tatort auferlegt wird, doch die politische Neutralität birgt einen großen Vorteil: Regisseur und Drehbuchautor Ralph Bohn (Filmriss) kann mit Manfred Körner einen echten Ausnahme-Politiker installieren. Eine ehrliche Haut nämlich, mit der der Zuschauer unabhängig von der eigenen politischen Gesinnung mitfiebern kann. Paulsen hingegen verkörpert als fieser Machtmensch das genaue Gegenstück und verstärkt die Sympathien für den aufrichtigen Körner entsprechend.
Dass in einer Tatort-Episode mal nicht die beiden Kommissare die Identifikationsfiguren sind, ist zwar ziemlich gewöhnungsbedürftig, funktioniert aber über weite Strecken prima: Fast wünscht man sich als Zuschauer, die Berliner Hauptkommissare Till Ritter (Dominic Raacke) und Felix Stark (Boris Aljinovic) würden dem unvermittelt unter Mordverdacht stehenden Moralmenschen Körner früher zur Seite springen, als ihm permanent kritisch auf den Zahn zu fühlen („Sollen wir ihn mit Samthandschuhen anfassen, nur weil er ein Politiker ist?“).
Von der eigenen Partnerin Judith Klee (Stefanie Stappenbeck, Willkommen in Hamburg) hintergangen, von den sensationsgeilen Medien vorgeführt, von den Parteikollegen mit Verachtung gestraft: Der unschuldige Körner kann einem fast leid tun. Unter dem Strich trägt Bohn aber ein wenig zu dick auf, als dass seine Figur wirklich glaubhaft ausfiele; ein wenig Dreck am Stecken hätte selbst dem aufstrebenden Jungpolitiker gut zu Gesicht gestanden.
Auch die kriminellen Jugendlichen um Drogendealer Natho (Toni Snétberger, Bienzle und der Todesschrei) erschöpfen sich in überzeichneten Stereotypen, wenngleich sie nicht ganz so peinlich ausfallen wie zum Beispiel in der unterirdischen Odenthal-Folge Der Wald steht schwarz und schweiget oder dem späteren Berliner Tatort Dinge, die noch zu tun sind. Die Auflösung hingegen gefällt: Manchmal ist eben alles viel simpler, als es anfangs aussieht.
Bewertung: 6/10
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