Folge: 528 | 30. März 2003 | Sender: SWR | Regie: Didi Danquart
Bild: SWR |
So war der Tatort:
Historisch verknüpft mit dem Staffellauf der Damen bei den Olympischen Spielen von 1936.
Damals sprintete im Trikot des Deutschen Reichs eine Frau durchs Berliner Olympiastadion, die nach der Idee der Filmemacher die Tante von Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) ist: Läuferin Emmy Albus verpatzte, sicher in Führung liegend, vor den Augen von Reichskanzler Adolf Hitler die letzte Übergabe des Staffelstabs. Das 4x100m-Rennen ging auf der Zielgeraden verloren.
Im Drehbuch von Daniel Martin Eckhart (Ein mörderisches Märchen) wird aus Emmy Albus kurzerhand Emma Odenthal (Gisela Trowe, Tödliche Freundschaft): Ohne Kontakt zu ihrer Nichte lebt die frühere Leichtathletin mittlerweile im Altersheim Grünwald, deren umtriebige Bewohnerin Marina Cortese (Ingrid van Bergen, Schlaflose Nächte) im Prolog des Krimis von einem Unbekannten niedergeschlagen wird und die Treppe hinunter in den Tod stürzt.
So begegnen sie sich in der Eingangshalle des Heims nach langer Zeit wieder, Emma Odenthal und Lena Odenthal, die auf den Fall angesetzt und wie gewohnt von ihrem Kollegen Mario Kopper (Andreas Hoppe) unterstützt wird. Das nächtliche Wiedersehen der verwandten Frauen ist frostig, das gute Verhältnis ging in die Brüche – dabei war Emma einst die wichtigste Bezugsperson im Leben der späteren Kripo-Beamtin.
ODENTHAL:Emma war meine beste Freundin. Ich wollte nicht so sein wie mein Vater oder meine Mutter. Ich wusste, irgendwann werde ich genau sein wie Emma. Wild und frei, ich würde nie jemanden brauchen. Selbständig und stark, genau wie sie.KOPPER:Das hast du ja erreicht.
Wie so oft im Ludwigshafen-Tatort ist Lena Odenthal persönlich in den Fall involviert, und auch die Ausgangslage des Whodunits im Miss-Marple-Stil könnte klassischer kaum gestrickt sein: Im Mikrokosmos Altenheim, das neben dem Präsidium praktisch der einzige Schauplatz der 528. Tatort-Folge ist, kommt ein halbes Dutzend Verdächtiger als Täter infrage – und es liegt an Odenthal und Kopper, den Mörder mit Unterstützung von Assistentin Edith Keller (Annalena Schmidt) und Spurensicherungsleiter Peter Becker (Peter Espeloer) zu überführen.
Schon früh offenbart sich, dass der Weg zur richtigen Auflösung über den schüchternen und geistig zurückgebliebenen Hausmeister Willy Vogelsang (Bruno Cathomas, Ein Hauch von Hollywood) führt: Einleitend von Lenas zugeknöpfter Tante beim Abdecken der Leiche beobachtet, dann vom herrischen Heimleiter Karl Kranz (Rudolf Wessely, Passion) mit einem dünnen Alibi in Schutz genommen und später immer auffällig unauffällig in Hörweite, wenn Odenthal und Kopper im Garten des Heims Befragungen durchführen. Dieser Sonderling muss einfach eine Leiche im Keller haben.
Und doch ist Vogelsang auf den zweiten Blick ein so herzensguter, bemitleidenswerter und aufrechter Mensch, das er für krimierprobte Zuschauer schnell als Mörder ausscheidet – da stört es auch nicht, dass der angeblich so glühende Der Herr-der-Ringe-Fan die Elbenkönigin Galadriel als Elfenkönigin bezeichnet und mit dem Fotoapparat einem ziemlich eigenwilligen Hobby nachgeht. Vogelsangs Szenen sind die stärksten des Krimis, und das liegt vor allem am bravourösen Auftritt von Bruno Cathomas, der drei Jahre zuvor – ebenfalls unter Regie von Didi Danquart – bereits im Ludwigshafener Tatort Der schwarze Ritter zu sehen war und der von 2017 bis 2019 Staatsanwalt Fosco Cariddi im Frankfurter Tatort spielt.
Wer die männermordende Cortese auf dem Gewissen hat, klärt sich erwartungsgemäß erst in den Schlussminuten, und auch sonst ist Schöner sterben ein Krimi, nach dem man die Uhr stellen kann: Die obligatorische zweite Tatort-Leiche folgt – wie könnte es anders sein – nach exakt einer Stunde, eine Verfolgungsjagd durchs Treppenhaus steht ebenfalls im Skript und eine brenzlige Situation für Lena Odenthal, die bereits im grandiosen Kopper-Erstling Der kalte Tod auf dem Seziertisch eines Serienmörders landete, macht sich auf der Zielgeraden auch immer gut. Überzeichnete Selbstgespräche der Tatverdächtigen, die das erzählerische Erfolgsprinzip „Show, don’t tell“ ad absurdum führen, tun ihr Übriges zur altbackenen Aufmachung. Wirklich spannend wird es selten.
So ist Odenthals 28. Fall zwar ein ansprechend besetzter, aber formelhafter und vorhersehbarer Krimi, der nach dem stimmungsvollen Auftakt selten in Fahrt kommt und aus dem Brückenschlag in die Nazizeit keinen Mehrwert für den Kriminalfall generiert. Die für die Charakterzeichnung wertvolle Geschichte, die Tante Emma erzählt, wird zwar emotional vorgetragen, ist für die Auflösung der Täterfrage aber völlig irrelevant. Am Ende mündet die Jagd auf Mörder dann noch in ein unfreiwillig komisches Finale, in dem ein schöner Opel Kapitän HydraMatic nach einem Absturz aus zwei Metern in Flammen aufgeht – was diesen Tatort eher abwertet, als ihn noch aus dem grauen Mittelmaß herauszuhieven.
Bewertung: 5/10
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