Folge: 523 | 26. Januar 2003 | Sender: SWR | Regie: Richard Huber
Bild: SWR/Hollenbach |
So war der Tatort:
Vaterfreudig.
Den Großteil seines dritten Einsatzes an der Seite der verwitweten Hauptkommissarin Klara Blum (Eva Mattes) verbringt Kommissar Bülent Isi (Ercan Özcelik) nämlich in Vorfreude auf sein erstes Kind – und muss die Ermittlungen im Fall des an Bord einer Yacht getöteten Industriellen Wolfgang Reichert immer wieder für Anrufe seiner hochschwangeren Frau unterbrechen.
Für die Tätersuche ist der dreimalige Blum-Kollege, der in Stiller Tod zum letzten Mal in der Krimireihe zu sehen ist und sich danach in den ewigen Vaterschaftsurlaub verabschiedet, keine große Hilfe und muss sich deutliche Worte von seiner engagierten Chefin gefallen lassen („Stellst du eigentlich auch mal Fragen oder gibst du immer nur Antworten?“). Selbst auf der Zielgeraden lässt Isi, der am Bodensee in Bitteres Brot von Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) beerbt wird, die verständnisvolle Hauptkommissarin, die in letzter Sekunde einen potenziellen Selbstmörder auf dem Dach eines Hauses stellen muss, im Stich: Bei seiner Frau ist die Fruchtblase geplatzt. Wenige Minuten später hält der glückliche Vater ein süßes Baby in den Armen – und ist nach dem Abspann Tatort-Geschichte.
Bleibenden Eindruck hinterlässt er nach seinen drei Einsätzen nicht, denn bereits in Schlaraffenland und 1000 Tode spielte der Kommissar nur die zweite Geige hinter Blum, die im dialoglastigen Stiller Tod auf ihrer Seeterrasse bei stillen Momenten der Erinnerung an ihren verstorbenen Mann Martin (Michael Gwisdek) und beim Einpflanzen von Blumenzwiebeln im Garten gezeigt wird.
Der 523. Tatort knüpft stilistisch genau da an, wo der 513. aufgehört hat: Regisseur Richard Huber (Auf der Sonnenseite) zeigt romantische Seepanoramen und Sonnenuntergänge und unterlegt die im gemächlichen Tempo erzählte Geschichte mit verträumter Klaviermusik – das ist mal passend, manchmal aber auch einfach nur kitschig.
Der Nebenkriegsschauplatz um Isis Vaterfreuden, in die sich auch immer wieder die furchtbar neugierige Assistentin Annika „Beckchen“ Beck (Justine Hauer) einschaltet, sind das größte Ärgernis einer ansonsten sehenswerten Tatort-Folge, die erst nach einer guten Stunde ihre wahren Stärken offenbart: Tathergang und Täterfrage.
Bis dahin sieht alles danach aus, als wisse der Zuschauer – im Gegensatz zu den weniger gut informierten Kommissaren – längst um die vermeintlich naheliegende Auflösung: Staatsanwalt Justus Fürmann (Sylvester Groth, der Eva Mattes in Die schöne Mona ist tot ein zweites Mal begegnet) ist schließlich bestens über das Verhältnis seiner Ehefrau Rita (Julia Jäger, Heimatfront) zum Hauptverdächtigen Daniel Seefeld (Janek Rieke, Märchenwald) informiert und scheint dem unter Gedächtnisverlust leidenden Nebenbuhler die Tat nur in die Schuhe schieben zu wollen. Aber ist hier alles so, wie es scheint?
Warum sollten die Drehbuchautorinnen Martina Brand (Bienzle und der Mann im Dunkeln) und Dorothee Schön (Der Wald steht schwarz und schweiget) dann trotzdem auf das Whodunit-Prinzip setzen? Die Antwort, warum die klassische Columbo-Dramaturgie nicht funktionieren würde, kommt spät, aber sie kommt, und bildet das Fundament für einen emotionalen Showdown, bei dem Blum einmal mehr als Psychologin gefragt ist.
Damit ist Stiller Tod nach zwei mäßigen Vorgängern der bis dato überzeugendste Fall vom Bodensee, dem man kleinere Ungereimtheiten, Isis nervtötende Telefonate und die gelegentlich etwas konstruierte Handlung (z.B. die nächtliche Abhöraktion unter der Holzbrücke) angesichts der cleveren Auflösung gern verzeiht. Auf den ersten großen Wurf aus Konstanz muss das Publikum aber noch warten.
Bewertung: 6/10
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