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Schlaraffenland

Folge: 499 | 28. April 2002 | Sender: SWR | Regie: Nina Grosse

Bild: HR/SWR/Hollenbach

So war der Tatort:

Unrund. 

Drehbuchautor Stefan Dähnert (Bluthochzeit) steht nämlich vor einem Dilemma: Der erste Einsatz von Hauptkommissarin Klara Blum (Eva Mattes), die nur wenige Wochen nach ihrer niedersächsischen Tatort-Kollegin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler, erster Auftritt in Lastrumer Mischung) ihr Debüt im Ersten feiert, muss dramaturgisch nicht nur als Sonntagskrimi funktionieren, sondern die neue Konstanzer Ermittlerin zugleich ausführlich beim Publikum einführen. 
An sich kein aussichtsloses Unterfangen – doch Schlaraffenland ist kein gewöhnlicher Auftakt. Blum muss nicht etwa einleitend, sondern erst auf der Zielgeraden den Tod ihres Ehemannes verkraften: Ihr Ehemann Martin (Michael Gwisdek, Schiffe versenken) leitet das Polizeikommissariat in Konstanz und ist damit von Beginn an voll in die Ermittlungen involviert. 
Das führt dazu, dass die Jagd auf den geistig behinderten Hauptverdächtigen Wolfgang „Wolfi“ Osburg (Alexander Beyer, Ein ganz normaler Fall) immer wieder auf Kosten der Spannung unterbrochen wird: Blum und Blum kitschen nicht nur ungeniert über den Polizeifunk, sondern bringen eine Verfolgungsjagd mit vier Polizeiautos schon mal mitten auf der Landstraße zum Stoppen, um ihre Gefühle füreinander zu klären. 
Dass bei der fieberhaften Suche nach dem Entflohenen, den die Filmemacher relativ plump in einen – Hallo, ich habe eine geistige Behinderung! – bauchfreien, rosafarbenen Pullover gesteckt hat, videospielähnliche Gute-Laune-Mucke dudelt, ist der spannenden Krimi-Atmosphäre ebenfalls nicht förderlich. Die erste Hälfte des Films, in dem Hans-Jörg Allgeier (Rendezvous) wie auch viele andere Kameramänner in den folgenden Bodensee-Folgen nette Wasserpanoramen bildsprechen lässt, misslingt der vierfachen Tatort-Regisseurin Nina Grosse (Der kalte Tod) damit völlig. 
Zumindest teilweise aufgefangen wird dies durch den glänzend aufgelegten Alexander Beyer, der nicht nur die hollywooderfahrene und frühere Fassbinder-Darstellerin Eva Mattes, sondern auch die Nebendarstellerriege um bekannte TV-Gesichter wie Martin Feifel (Das namenlose Mädchen) und Ercan Özcelik (1000 Tode) nach allen Regeln der Kunst an die Wand spielt. 
Auch die Gesangseinlage von Annika „Beckchen“ Beck (Justine Hauer), die hemmungslos den Madonna-Karaoketitel Like A Virgin schmettert, zählt zu den unfreiwilligen Höhepunkten im 499. Tatort, der erst nach einer guten Stunde in Fahrt kommt. Dann gibt’s allerdings große Gefühle: Sie ist eben eine Ermittlerin mit Herz, die Klara. Und mit Prinzipien: Meckert lautstark über die Metallic-Lackierung ihres neuen Mercedes, outet sich in einem Nebensatz als Haribo-Naschkatze und snackt am liebsten an der AVIA-Tankstelle – aber für das Product Placement und das unvorteilhafte Sommerkleid, das sie von Minute 1 bis 90 tragen muss, kann sie ja nichts.

Bewertung: 4/10


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