Bild: Das Erste

Slalom

Folge: 128 | 13. September 1981 | Sender: NDR | Regie: Wolfgang Storch

Bild: NDR

So war der Tatort:

Moralisierend. 

Ausgerechnet in Lübeck an der Ostseeküste verkauft Walter Lanninger (Gerhard Lippert, Weißblaue Turnschuhe) Skier in einem Sportgeschäft. Ein charmanter, gut aussehender Österreicher, der keine Schwierigkeiten hat, den Kundinnen hochpreisige Artikel anzudienen. Nach Feierabend arbeitet er als Tennislehrer; ihm sagt der Luxus zu, der den weißen Sport 1981 noch begleitet.
Auf dem Platz hat er auch die bildhübsche Sonja Steinitz (Claudia Rieschel, Gelegenheit macht Liebe) kennengelernt. Mit der geschiedenen, verwöhnten Unternehmerstochter beginnt er eine Beziehung, obwohl er verlobt ist und Else Huber (Marianne Nentwich, Münchner Kindl) allein seinetwegen mit in den hohen Norden gezogen war. Lanninger kann mit dem Lebensstil, den Sonja gewohnt ist, nicht mithalten. Als er in seiner Bank beobachtet, dass eine alte Frau 8.000 DM in bar auszahlen lässt, entreißt er ihr das Geld. Auf der Flucht stößt er gegen einen Radfahrer, der so unglücklich fällt, dass er schwerste Kopfverletzungen erleidet und schließlich daran verstirbt. 
Nur ein Unfall, der schließlich nach über einer Stunde die für den Tatort obligatorische Leiche hervorbringt: Es sind die Jahre, in denen der NDR für die Ermittlerfiguren den Begriff des „Spielkommissars“ erfunden hat. Und Hauptkommissar Beck (Hans Häckermann, Ein ganz gewöhnlicher Mord) reiht sich in die Reihe der „Eintagsfliegen“ des Senders ein (vgl. seine norddeutschen Kollegen Nagel, Greve, Schnoor und Ronke).
Die Figurenzeichnung des Ermittlers bleibt blass, zudem ist Beck vermutlich bis heute einer der unsympathischsten Kriminalbeamten der Tatort-Historie. Er ist geradezu besessen, auch mit unfairen Mitteln, den Täter zu überführen, gleichzeitig aber ekelt ihn sein eigenes Verhalten an. Er hat Erfolg, aber:


BECK:

Trotzdem komm ich mir jetzt ziemlich beschissen vor.


Denn nicht aus Aufklärungsnotwendigkeit, sondern von Rachegefühlen gespeist, informiert er Lanningers Verlobte über die Affäre ihres Lebensgefährten. Dabei ist Else Huber eigentlich die einzige positive Figur im ganzen Film. 

Claus Bender und Wolfgang Storch (Irren ist tödlich), der auch Regie führt, zeichnen in ihrem Drehbuch ein durchaus pessimistisches Gesellschaftsbild der noch jungen 80er Jahre. Skrupellos ist die Polizei, skrupellos sind auch die Journalisten oder der Bankdirektor. Alle nutzen sie das Leid anderer aus, um ihre Ziele zu erreichen; ihnen sind dazu so ziemlich alle Mittel recht. Gleichzeitig ist ihr Handeln aber durchaus verständlich, wenngleich dieser Zwiespältigkeit nur im oben genannten Zitat des Kommissars so eindeutig auf den Punkt gebracht wird. 
Nur kurz kann Walter Lanninger in der Lübecker High Society mithalten, sein Traum von einem anderen Leben ist genauso schnell wieder zu Ende, wie er begonnen hatte. „They are not long, the days of wine and roses“, schmachtet schon in der zweiten Szene des Films der Jazz-Standard von Henry Mancini – und genauso kommt es dann auch. Jedes Mal, wenn der Sportartikelverkäufer meint, einen Zipfel vom Glück fassen zu können, ist sein Unglück kurz darauf nur noch größer. 
Dem Normalo verleiht Gerhard Lippert ganz zurückhaltend seine Würde – bis er in der Schlussszene ziemlich entgeistert aus seinem Traum vom (sozialen) Aufstieg herausgerissen wird. Ein kleines Kammerspiel, dass sich unter Storchs Regie sehr langsam entwickelt. Er nimmt sich Zeit, Lanninger und seine Beziehungen darzustellen: Sehr deutlich arbeitet er heraus, wie undurchlässig die gesellschaftlichen Schichten sind. Zwei Welten leben nebeneinander und allein Lanninger – so machen es das Drehbuch und die Inszenierung deutlich – merkt nicht, dass sein Charme das einzige Kapital ist, mit dem er wuchern kann.

Bewertung: 5/10

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert