Bild: ORF/Ali Schafler

Der Millenniumsmörder

Folge 435

30. Januar 2000

Sender: ORF

Regie: Thomas Roth

Drehbuch: Peter Moser

So war der Tatort:

Endzeitlich.

Die drohenden Weltuntergangsszenarien und Chaosbefürchtungen rund um die Jahrtausendwende bilden nämlich die Grundlage für den dritten Einsatz des Wiener Chefinspektors Moritz Eisner (Harald Krassnitzer): Der muss sich in diesem düster und grau arrangierten Tatort nicht nur mit einer Mordserie befassen, die im Zusammenhang mit den Prophezeiungen des Nostradamus steht, sondern auch um die Gunst der von ihm schwer umworbenen Pathologin Dr. Renata Lang (Gundula Rapsch) kämpfen.

An einem bizarr inszenierten Tatort in den Weinbergen wird einleitend die verkohlte Leiche eines Peep-Show-Betreibers gefunden, der in seinem Wagen verbrannt ist. Ums Auto herum finden sich seltsame Zeichen, die der Täter mit viel Mühe in die Erde gegraben hat. Es dauert nicht lange, bis Eisner und seine Teammitglieder Norbert Dobos (Alois Frank) und Suza Binder (Loretta Pflaum) herausfinden, dass es sich dabei um das Zeichen von Michel de Nostredame handelt, einem Hellseher und Propheten, der schon vor mehr als 500 Jahren den Weltuntergang vorausgesagt hat.

Und seine Vorhersagen besitzen nach wie vor Strahlkraft oder dienen als Inspiration: Dem verschlagenen Nostradamus-Experten Arno Berger (Ludwig Hirsch, Mord im Krankenhaus) etwa, der aus dem Hype um die Endzeitstimmung Kapital zu schlagen weiß. Er sieht die Menschheit als lästige Hautkrankheit der Erde an und erklärt dem skeptischen Eisner, dass die Welt wieder ins Gleichgewicht käme, wenn die vorausgesagten Katastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen oder Kriege einträfen. Eine gewisse Vorfreude kann der seltsame Kauz dabei nicht verhehlen.


EISNER:
Was machen Sie, wenn die Welt untergeht?

BERGER:
Ich? Ich geh raus und schau zu. Und Sie?

EISNER:
Ich glaub‘, ich bleib‘ daheim und schau mir’s im Fernsehen an.

Das Drehbuch von Peter Moser, der nur dieses eine Mal ein Skript für die Krimireihe beisteuerte, sieht vor, dass in der Folge auch irdische Tatmotive in Betracht gezogen werden, was sich als kluge Entscheidung erweist. Da ist etwa der vorbestrafte Bordellbetreiber Peter Leubner (Gregor Seberg, Passion), dem das Opfer Geld schuldete. Er ist genauso verdächtig wie der auffällig gereizte Pornoversandhändler Steiner (August Schmölzer, Starkbier), der den Getöteten als guten Kunden verloren hatte. Doch diese Nebelkerzen verfolgen die Filmemacher um Regisseur Thomas Roth (Gesang der toten Dinge) nur halbherzig.   

Stattdessen rückt mit fortschreitender Handlung das Schicksal des an Wahnvorstellungen leidenden Michael Novotny (Xaver Hutter) ins Zentrum des Geschehens. Der schweigsame junge Mann, der ebenfalls an die Weissagungen des Nostradamus glaubt und sich wegen seiner Angstzustände in psychischer Behandlung befindet, zeichnet düstere Bilder vom Weltuntergang. Sein Zustand scheint sich nicht zu bessern, auch weil er das Beruhigungsmittel nicht einnimmt, das ihm seine ratlose Ärztin Dr. Pfeiffer (Franziska Sztavjanik, Kinderwunsch) verschrieben hat und mit dem auch der eingangs getötete Peep-Show-Betreiber betäubt wurde.

Ein Verdächtiger, wie gemalt für die Schuldfrage – und genau das wird zum Problem. Denn wirklich glaubhaft wirkt dieser Handlungsstrang nicht, zumal das Publikum stets einen kleinen Wissensvorsprung genießt. Und spätestens, wenn Michaels gruseliger Vater Ernst (Michael Schottenberg, wirkte bereits im Vorgänger Absolute Diskretion mit) die Bildfläche betritt, bekommt die bis dahin durchaus ansprechende Geschichte einen unfreiwillig komischen Beigeschmack. Er spricht seltsam gekünstelt und sperrt seinen Sohn in einem Gartenbunker ein.

Das Potenzial der 435. Tatort-Folge wird damit nicht ausgeschöpft. Dabei hat Der Millenniumsmörder gerade zum Ende hin starke Momente: Wenn Rechtsmedizinerin Lang allein durch die leeren Gänge der Pathologie streift, steigt der Puls. Beim spannend inszenierten Showdown darf mitgefiebert werden, wenngleich die Täterfrage zu diesem Zeitpunkt längst geklärt ist. Und über so manchen überflüssigen Nebenschauplatz täuscht das nicht hinweg: Insbesondere die Story um Eisners verlorenen Schlüssel und die sich daraus ergebende Übernachtung bei Kollegin Binder sorgt für viel Gesprächsstoff und unnötige Längen.

Unterm Strich ist Eisners erster Einsatz im neuen Jahrtausend kein Weltuntergang – aber auch keine Offenbarung. Regisseur Thomas Roth wird sich später steigern: Er inszeniert in den kommenden Jahren noch die starken Folgen Der Teufel vom Berg und Deckname Kidon, aber mit Das Tor zur Hölle auch einen der schwächsten Fälle aus der Alpenrepublik.    

Bewertung: 5/10


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert