Folge 1291
26. Januar 2025
Sender: SR
Regie: Tini Tüllmann
Drehbuch: Melanie Waelde
So war der Tatort:
Schlaflos.
Denn besonders Hauptkommissarin Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer), die bei ihrem sechsten Einsatz an der Saar zum ersten Mal im Mittelpunkt des Krimis steht, schlägt sich in Das Ende der Nacht die Nächte um die Ohren: Das Verschwinden ihrer damals 16-jährigen Schwester Mara, das inzwischen schon über zehn Jahre zurückliegt, macht ihr so schwer zu schaffen, dass sie Wachhalte-Pillen wie Gummibärchen einschmeißt, über dicken Akten mit Fotos brütet und überhaupt nicht mehr zu schlafen scheint. Der Beginn einer neuen Backstory?
Gut möglich, denn wenngleich Hauptkommissar Adam Schürk (Daniel Sträßer) den Tod seines sadistischen Vaters und die heftigen Nachwehen mental noch nicht bewältigt hat, wurde die über fünf Folgen erzählte Geschichte um das Geld aus den früheren Straftaten seines Erzeugers ein Jahr zuvor in Der Fluch des Geldes sauber abgeschlossen. Zwischen Schürk und seinem Partner Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) sind die Fronten endgültig geklärt – und auch Hauptkommissarin Esther Baumann (Brigitte Urhausen), die sich erneut kaum in den Vordergrund spielen darf, hat noch kein wirklich schweres Päckchen zu tragen.
Heinrichs Insomnie bildet zugleich den Auftakt des Kriminalfalls im 1291. Tatort: Just als sie in den frühen Morgenstunden die Türen des Präsidiums hinter sich schließt, wird ein Geldtransporter von drei Maskierten gestoppt und ausgeraubt, ein Wachmann dabei getötet. Drehbuchautorin Melanie Waelde, die bereits die Geschichte zum umstrittenen Vor-Vorgänger Die Kälte der Erde schrieb, hat sich den spektakulären Coup allerdings nicht ausgedacht: Er basiert auf einem realen Überfall in Saarlouis von 2023, wird akustisch durch die berühmten Klänge von ABBAs „Money, Money, Money“ vorbereitet und veranlasst Schürk vor Ort zu einem süffisanten Kommentar, der auf den vorherigen Saar-Tatort anspielt.
Nach diesem dramatischen Auftakt stürzt Das Ende der Nacht in ein Spannungsloch – und wenngleich sich selten Leerlauf einschleicht, braucht der Krimi rund eine halbe Stunde, um sich daraus zu befreien. Sieht man von einem nächtlichen Streifzug von Schürk und Heinrich ab, die sich bei zwei Glückskeksen näherkommen, reihen sich zunächst die Versatzstücke der Krimireihe unaufgeregt aneinander: Erste Spuren (und Zahlen) am Tatort führen zu ersten Verdächtigen, Motiven und Befragungen. Wie schon zu Zeiten des langjährigen Saarbrücker Ermittlers Max Palu (Jochen Senf, letzter Auftritt in Rache-Engel von 2005) wird auch grenzüberschreitend in Frankreich ermittelt. Das hat Tradition.
Mit Geldtransporter-Fahrer Aytac Celik (Mücahit Altun) und seiner guten Freundin Carla Radek (Lena Urzendowsky, Luna frisst oder stirbt) sind zwei Hauptverdächtige schnell ausgemacht, mit Carlas Mutter Béatrice (Sabine Timoteo, Avatar) zudem eine mögliche Strippenzieherin. Auch mit Moritz Leimer (Michelangelo Fortuzzi), der Schürk in Die Kälte der Erde sein Geld klauen wollte, gibt es ein Wiedersehen – eine Brücke in die Vergangenheit, typisch für Saarbrücken, hier aber nicht sonderlich gewinnbringend. So richtig auf Betriebstemperatur kommt der Film erst durch eine Entführung, als die Täterfrage geklärt ist. Der Whodunit wird zum Howcatchem – wie schon zuletzt in Der Stelzenmann, Ad Acta oder Azra.
Das Ende der Nacht durchzieht von diesem Zeitpunkt an eine steile Spannungskurve, bisweilen aber auch ein melodramatischer RTL-Touch mit unbeschwerter Popcorn-Atmosphäre. Den Tiefgang der emotional so aufgeladenen ersten Folgen Das fleißige Lieschen, Der Herr des Waldes und Das Herz der Schlange erreicht der Krimi unter Regie von Tini Tüllmann (Spur des Blutes) selten. Den Nebenfiguren fehlen die Facetten und es mangelt schlichtweg an Substanz: Plattitüden und Allgemeinplätzen wie „Geglaubt wird nur in der Kirche“ oder „Was du tust, entscheidest allein du“ wechseln sich ab mit reißerischen Versprechungen, die nicht immer eingehalten werden („Was auch immer hier gerade passiert, es scheint völlig außer Kontrolle zu geraten!“).
Wirklich unkontrolliert und spektakulär wird der Tatort erst auf der Zielgeraden, denn er mündet in ein furioses Bunkerfinale mit einem fiesen, blutigen Schlussakkord. In seiner Konsequenz und Dramatik erinnert er an den grandiosen, aber noch deutlich wuchtiger arrangierten Münchner Meilenstein Am Ende des Flurs: Wer glaubt, der SR würde die knackigen Cliffhanger aus den ersten vier Folgen mit Schürk und Hölzer nicht noch einmal toppen können, sieht sich hier eines Besseren belehrt. So müssen sich die Fans erneut ein ganzes Jahr gedulden, ehe es im Saarland weitergeht.
Bewertung: 6/10
Auflösung: Überlebt oder stirbt dieser Saarbrücker Kommissar den Tatort?
Drehspiegel: So geht es jetzt im Saarland weiter
Ausblick: Dieser Tatort läuft am nächsten Sonntag
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