Folge 1294
2. März 2025
Sender: BR
Regie: Lancelot von Naso
Drehbuch: Dagmar Gabler
So war der Tatort:
Kriegsspielerisch.
Ihr 96. und zugleich fünftletzter Einsatz führt die Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), die 2026 in den wohlverdienten Ruhestand eintreten, nämlich auf eine US-amerikanische Army Base bei München: Dort sind nicht nur 6.400 NATO-Soldatinnen und -Soldaten stationiert, sondern auch hunderte Civilians on the Battlefield (COB) gemeinsam mit den Militärs bei einer Übung im Einsatz, die sich über vier nah beieinander gelegene Dörfer erstreckt. Zwei der COBs werden einleitend allerdings tot aufgefunden, nachdem sie sich auf ein Schäferstündchen auf dem Militärgelände eingelassen hatten.
Die Münchner Ermittler sehen sich nach dem Auffinden ihrer Leichen – eine liegt außerhalb des Geländes und eine innerhalb – dazu gezwungen, in Charlie dreigleisig vorzugehen: Während Leitmayr gemeinsam mit der toughen Major Jennifer Miller (Yodit Tarikwa, Borowski und das ewige Meer) durch die Militärbasis streift und unter den Soldaten und Funktionären Nachforschungen anstellt, mischt sich Batic im fiktiven Dörfchen Übungsheim undercover unter die COBs. Er ersetzt den Verstorbenen in deren Lager als Komparse auf dem Schlachtfeld. Oberkommissar Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer), der 2026 mit einem neuen Kollegen die Nachfolge seiner jetzigen Vorgesetzten antritt, hört sich derweil im privaten Umfeld der Opfer außerhalb der NATO-Übung um.
In unruhigen Zeiten, in denen die Zukunft des westlichen Militärbündnisses und die Rollen der Amerikaner und Europäer unsicherer erscheinen denn je, legen Drehbuchautorin Dagmar Gabler (Am Tag der wandernden Seelen) und Regisseur Lancelot von Naso also den Finger auf den Puls des Zeitgeschehens – weil ihr Film schon im Februar 2024 gedreht wurde, spielen die Entwicklungen nach der erneuten Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump im Januar 2025 allerdings keine Rolle im Film. Kleinere Spitzen und Streitigkeiten ergeben sich aus Gesprächen zwischen Leitmayr und Miller dennoch.
So spektakulär und ausgefallen das Army-Base-Setting im 1294. Tatort ist, so harmlos fällt allerdings der Kriminalfall aus. Neben einer klassischen Dreiecksgeschichte, bei der sich der betrogene Niklas Pohl (Anselm Bresgott, Tyrannenmord) als Verdächtiger in den Vordergrund drängt, bietet auch Batic‘ Undercover-Einsatz wenig Spannungsmomente, die man nicht schon häufig in der Krimireihe gesehen hätte. Kleinere Lügen, um nicht aufzufliegen, unauffälliges Nachfragen, um Geheimnisse in Erfahrung zu bringen – und eine eher müde von Alfred Hitchcocks Psycho abgekupferte Duschszene, die schon wieder vorbei ist, ehe sie so richtig Fahrt aufgenommen hat. Alles schon oft dagewesen, und auch der Status-Quo-Song In The Army Now ist nicht gerade die originellste Wahl für den Soundtrack.
Kaum eine der Figuren, der wir auf dem NATO-Stützpunkt oder bei der Übung begegnen, wird von den Filmschaffenden mit nennenswertem charakterlichen Tiefgang ausgestattet – weder der Waffennarr Luca Weber (Tim Seyfi, Dunkelfeld) noch die aufbrausende COB Mila Kovac (Dorka Gryllus, Glück allein) oder der kleinkriminelle Beni Menzel (Wilson Gonzalez Ochsenknecht, Level X). Wirklich interessant wird es vor allem dann, wenn wir Einblicke in die in der Krimireihe bis dato kaum beleuchteten Vorgänge einer so großen Militärübung erhalten; eine reizvolle, fast surreal anmutende Parallelwelt. Da der spektakulärste Teil des Manövers noch bevorsteht, herrscht allerdings auch lange eine gewisse Ruhe vor dem Sturm. So köchelt die Spannung auf Sparflamme.
Erst auf der Zielgeraden schaltet Charlie einen Gang hoch und entführt uns mit nächtlichem Kugelhagel, krachenden Explosionen und unübersichtlichem Häuserkampf noch für ein paar Minuten in ein Szenario, das sich plötzlich wie ein Kriegsfilm anfühlt. So richtig aufregend wird es aber selbst hier nicht mehr, weil eben alles nur gespielt ist und das fingierte Geschehen parallel zu einer eher hüftsteifen Batic-Prügelei und zwei routinierten Befragungen montiert wird, die bei der Täterfrage Licht ins Dunkel bringen. Als klassischer, mit vielen englischen und untertitelten Dialogen gespickter Whodunit funktioniert der Münchner Tatort aber passabel: Die Auflösung überrascht und wird gut vorbereitet, das Motiv ist allerdings recht dünn.
Etwas zu kurz kommt in diesem Militärkrimi dafür der unverwechselbare, in den letzten Jahren meist wunderbar unaufdringlich in die Dialoge eingeflochtene Humor unter den Ermittlern, weil die drei diesmal nach dem gemeinsamen Auftakt am ersten Leichenfundort über weite Strecken getrennt voneinander agieren (müssen). Erst im letzten Filmdrittel finden sie in einigen Sequenzen wieder zusammen. Besonders goldig gerät dabei ein nächtlicher Autodialog, der zugleich als Vorgriff auf die Tatort-Zukunft an der Isar gewertet werden kann: Kalli begegnet seinen Vorgesetzten langsam, aber sicher auf Augenhöhe.
Bewertung: 5/10
Abschied: Alle Infos zum Ausstieg von Batic und Leitmayr
Nachfolge: Kalli Hammermann bekommt einen neuen Kollegen
Drehspiegel: So geht es im Münchner Tatort weiter
Schreibe einen Kommentar