Interview mit dem neuen Bremer Tatort-Team

Am Pfingstmontag 2021 debütieren Jasna Fritzi Bauer, Dar Salim und Luise Wolfram als neues Tatort-Team in Bremen. In unserem Interview verraten die drei Hauptdarsteller mehr über ihren ersten Fall, die Dreharbeiten in Corona-Zeiten und ihr eigenes Verhältnis zum Tatort.


Bild: Radio Bremen/bildundtonfabrik/Daniel Milz
Eine alte Redensart besagt, dass in jeder Lüge auch ein Körnchen Wahrheit steckt. Wieviel Wahrheit steckt denn in eurer Mockumentary How to Tatort? Wie gut habt ihr euch bei den Dreharbeiten zu eurem ersten Tatort wirklich verstanden?
Jasna: Das klingt immer blöd, aber wir haben uns tatsächlich von Beginn an super verstanden. Das lag sicher auch daran, dass wir uns durch die Mockumentary schon vor dem ersten „richtigen“ Tatort kennenlernen durften. Unsere Streitereien waren natürlich gescriptet. Hier und da haben wir noch ein bisschen improvisiert.
Dar: Es war auf jeden Fall ein Vorteil, dass wir schon How to Tatort gedreht haben. Ich mag Jasna und Luise sehr und es gab von Anfang an überhaupt keine Probleme. Die Produktion war am Anfang etwas heavy, denn der Regisseur zum Beispiel kam erst im letzten Moment dazu. Wir drei sind als Team aber sehr schnell zusammengewachsen.
Konnten die beiden sich beim ersten Tatort-Dreh etwas von dir abschauen, Luise? Du bist ja schon ein paar Jahre länger dabei.
Luise: Jeder Film ist immer ein Beginn bei Null. Auch, wenn man das schon x-mal gemacht hat, ist das kein Garant für Irgendwas. Jasna und Dar haben manchmal ein paar infrastrukturelle Dinge gefragt, also wer ist jetzt wer und wer ist für was verantwortlich und so. Ansonsten waren wir alle in der gleichen Neulingsrolle. Für mich hat es sich auch wie ein Neuanfang angefühlt. Es hat cool geklappt zwischen uns, eben weil wir in so einer lustigen und schrägen Mockumentary als Team zusammenzuwachsen konnten. Das hat den Boden bereitet für den eher ernsthaften ersten Tatort.
Die Dreharbeiten zu „Neugeboren“ fanden ja mitten im zweiten Lockdown statt. Wie muss man sich einen Dreh unter Corona-Bedingungen vorstellen?
Jasna: Am Set tragen alle FFP2-Masken, mit Ausnahme der Schauspieler, die ja vor der Kamera stehen und geschminkt sind. Die Kollegen tun mir da manchmal echt leid, weil wir teilweise drinnen drehen, wo es bullenheiß ist. Für die Haut ist das auch nicht ideal. (lacht) Wir Schauspieler werden alle zwei Tage getestet. Die Teams werden außerdem in verschiedene Kreise eingeordnet, damit bei einem Ausbruch nicht gleich jeder infiziert wird. Arbeitswege werden eingezeichnet, wir essen getrennt, es muss viel gelüftet werden und einen Corona-Beauftragten gibt es auch. Man hat sich aber daran gewöhnt und wir sind alle sehr froh, dass wir überhaupt drehen dürfen.
Dar: Ich wurde in den vergangenen Monaten so oft getestet, dass ich es schon gar nicht mehr zählen kann. Auch für andere Produktionen, zum Beispiel einen Netflix-Film in Schweden. Da kommen dann noch Tests bei der Ein- und Ausreise dazu. Das ist aber alles egal, denn wir sind alle sehr glücklich, dass wir in dieser Situation überhaupt arbeiten können. Viele Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen, nicht nur dem unseren, kämpfen gerade, und meine eigenen Kollegen beim Theater haben viele Probleme.
Mads Andersen (Dar Salim) und Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) im Tatort „Neugeboren“.
Bild: Radio Bremen/Christine Schroeder
Lernt man sich in diesen Zeiten nach Drehschluss überhaupt richtig kennen?
Luise: Das erste Kennenlernen fiel zum Glück genau in den Sommer 2020, als wir How to Tatort in Köln gedreht haben. Da konnte man auch mal im Restaurant sitzen oder ein Bier trinken gehen. In Bremen im November war es trister, da konnten wir nur die Minibar leeren und saßen alle mit Abstand in der Hotellobby. Da hatten wir alle echte Shining-Momente! (lacht)
Jasna: Wirklich kennenlernen tut man natürlich auch die Crew nur schwer, was bei so einem Projekt eigentlich schön wäre, weil wir ja weiterhin mit demselben Stab von Radio Bremen zusammenarbeiten. Das fehlt ein bisschen. Aber wir stehen das gemeinsam durch und machen nach der Pandemie einfach doppelt so viel Bambule! (lacht)
Die Zuschauer sind natürlich schon sehr gespannt auf das neue Tatort-Team und eure Figuren. Was erwartet sie denn?
Luise: Linda Selb ist ja schon etwas länger dabei. Bei ihr hab ich immer ein bisschen das Gefühl, dass ich sie verteidigen muss, weil sie so speziell ist. Ich finde sie aber total gut und hätte gerne persönlich Kontakt mit ihr! (lacht) Bei ihr weiß man immer, woran man ist, weil sie nicht so viel filtert, nur um sich sozial erwünscht zu verhalten. Sie stößt Menschen vor den Kopf, meint das aber nie böse. Die Liebesgeschichte mit Stedefreund fällt ja jetzt weg, sie ist also im neuen Team mehr als ermittelnde Polizistin zu sehen. Linda ist auch nicht mehr so auf das Computerfachgebiet festgelegt, sondern übernimmt auch KTU-Aufgaben oder führt mal ein Verhör.
Jasna: In unserer Konstellation ist das Besondere, dass keiner dem Anderen unterstellt ist, weil wir in verschiedenen Abteilungen arbeiten. Linda Selb kommt vom BKA, Mads Andersen ist Polizist im durchgehenden Dienst und schon fast wieder nach Dänemark abgereist, und Liv Moormann war in Bremerhaven beim KDD beschäftigt und hat nun ein Bewerbungsgespräch für die Mordkommission der Bremer Kripo. So geht das Ganze los und ich bin selbst gespannt, wie es sich entwickelt.
Dar: Mads Andersen ist dank seiner Vorgeschichte aus Dänemark deutlich erfahrener und eine Art Chamäleon. Er hat viel Empathie zu den Leuten, denen er begegnet. Er versteht deine Situation und kann sich in dich hineinversetzen. Das ist seine große Stärke. Er bringt dich dazu, dich zu öffnen. Und am Ende kriegt Mads immer, was er will, denn er ist sehr hartnäckig. Du wirst ihn nicht mehr los, wenn er sich einmal festgebissen hat. Wie ein Raubtier.
Schon seit 2016 im Bremer Tatort dabei: Linda Selb (Luise Wolfram).
Bild: Radio Bremen/Christine Schroeder
Was hat dich eigentlich an der Tatort-Rolle gereizt, Dar?
Dar: Ich war immer schon Deutschland-Fan. Ich mag eure Kultur und ihr seid auch im Sport immer gut, zum Beispiel beim Fußball. (lacht) Das war aber nicht der Hauptgrund. Ich mag die Herausforderung, in einer anderen Kultur eine große Rolle zu übernehmen, nachdem ich in Dänemark schon viel erreicht habe. Auch meine Figur hat mich gereizt, das habe ich bei den Gesprächen mit dem Drehbuchautor gemerkt. Ich spiele gerne interessante Charaktere. Bisher habe ich nur einmal einen richtigen Bösewicht gespielt – damals im Bremer Tatort (Brüder, Anm. d. Red.). Menschen sind ja nicht böse oder gut, sondern haben verschiedene Lebenssituationen und treffen Entscheidungen, die richtig oder falsch sind.
Viele Tatort-Teams stehen ja für etwas – Münster zum Beispiel für humorvolle Krimis, Wiesbaden für Arthouse und die Folgen mit Lürsen und Stedefreund waren für mich immer eine Art Wundertüte. Wofür steht denn der neue Bremer Tatort?
Jasna: Die alten Bremer Tatort-Folgen hab ich immer als sozialkritisch, gesellschaftskritisch und politisch empfunden. Ich hoffe, dass wir das beibehalten und weiterhin kritische Themen ansprechen. Bremen war immer vielfältig, ich denke da zum Beispiel an die Folgen mit den Umweltaktivisten (Wer Wind erntet, sät Sturm, Anm. d. Red.) oder der Clan-Kriminalität, in der Dar den Gangsterboss gespielt hat. Das war immer relevant und nicht auf eine bestimmte Schiene festgelegt. Grundsätzlich sollten die Fälle im Vordergrund stehen und nicht das Privatleben, wenngleich man natürlich ein bisschen über den Background der Kommissare erfährt. Ich hoffe, dass wir ein Stück weit in die Fußstapfen unserer Vorgänger treten und auch eine kleine Wundertüte bleiben. (lacht)
Luise: Ich habe auch das Gefühl, dass das Beleuchten sozialer Brennpunkte weiterhin im Mittelpunkt stehen soll. Wir legen den Finger in die Wunde und ich bin gespannt, wie die Leute darauf reagieren.

Wie sehr verfolgt ihr denn, was die Zuschauer über den Tatort denken und schreiben – gerade auch in den sozialen Medien?
Luise: Bisher habe ich das noch nicht so verfolgt, mir sind die persönlichen Reaktionen aus meinem direkten Umfeld wichtiger. Ich komme ja ursprünglich vom Theater und da habe ich schnell gecheckt, dass ich Kritiken nicht direkt allein lesen sollte, sondern erst mal von jemand anderem und mir dann überlege, ob ich das lesen will oder nicht. Manche Sachen sind einfach hart. Und obwohl man gar nicht will, dass sie einen treffen, treffen sie einen dann doch. In den sozialen Medien wird ja alles ungefiltert am laufenden Band laut ausgesprochen.
Dar: Für mich ist es absolut ok und auch lustig, dass die Fans heutzutage direkt interagieren können und es eine wunderbare Online-Community gibt. Der Nachteil ist, dass manche Leute online anders sprechen als im realen Leben. Generell habe ich kein Problem mit Kritik, bisher hatte ich aber das Glück, dass ich kaum Negativfeedback erlebt habe. Vielleicht ändert sich das beim Tatort. Das sollte man dann aber nicht persönlich nehmen. Sowas ist schnell hingeschrieben, ohne dass sich die Leute über die Person hinter dem Schauspieler Gedanken machen.
Jasna: Manchmal, wenn ich Bock habe, schau ich mir die Kommentare an und finde es spannend, was die Leute denken. Das könnte ja auch mal ein Denkanstoß für die Produzierenden sein, die Zuschauer sind ja schließlich die, die den Tatort konsumieren. Deswegen machen wir ihn, nicht nur für uns selbst. Solange ich da keine Morddrohungen kriege oder übel beschimpft werde, kann ich Kritik aushalten und steige auch gerne in eine Diskussion ein. Vielleicht ist es auch ein Problem, dass einige Zuschauer zu wenig über den Prozess des Filmemachens wissen. Bei meinem Auftritt im Frankfurt-Tatort von 2017 (Land in dieser Zeit, Anm. d. Red.) zum Beispiel wussten wir als Schauspieler auch, dass das Drehbuch jetzt nicht unbedingt das beste der Welt ist – was aber daran lag, dass da mehrere Autoren drauf angesetzt und wieder abgezogen wurden. Wir haben das Buch dann zwei Wochen vorm Drehstart bekommen und das Beste daraus gemacht.
Zukünftig noch mehr im Rampenlicht: Jasna Fritzi Bauer, Dar Salim und Luise Wolfram.
Bild: Radio Bremen/Matthias Hornung
Sabine Postel war über 20 Jahre lang als Tatort-Kommissarin in Bremen im Einsatz. Wie sehen eure Pläne aus?
Jasna: Wir fangen jetzt erstmal an und schauen wie die Leute es finden. Und wenn es sich dann ergibt, werden es vielleicht fünf, zehn oder 20 Jahre. Vielleicht ja sogar 50 – dann könnten wir zum 100-jährigen Tatort-Jubiläum die ältesten Kommissare der Welt spielen! (lacht)
Dar: Ich lerne ja selbst noch, für mich ist es neu, ein Tatort-Kommissar zu sein. Ich will auch erstmal gucken, was die Zuschauer sagen. Wenn es denen nicht gefällt, ist es sowieso vorbei. Generell ist mir wichtig, dass die Geschichten gut geplant sind und wir hohe Ambitionen haben. Alle meine Rollen, den Tatort eingeschlossen, sind für mich nicht nur ein Job, sondern eine Leidenschaft. Da will ich eine Top-Performance abliefern und erwarte dasselbe von der Produktion. Wenn ich das Gefühl habe, das ist nicht der Fall, gibt es viele Schauspieler, die froh wären, in Zukunft einen Tatort-Kommissar spielen zu dürfen.
Wie oft schaut ihr denn selbst Tatort?
Luise: Ich bin regelmäßig dabei, und auch schon sehr lange. Ich habe früher schon Tatort geguckt, so mit 14 Jahren, zusammen mit meiner Familie. Aktuell schaue ich Dortmund mit Anna Schudt total gerne. Sie hat ja auch in How to Tatort mitgespielt. Die gescriptete Szene, in der sie den Emmy auf den Tisch stellt, haben übrigens voll viele Leute falsch verstanden. Da kam manch einer zu mir und sagte: „Dass die sich nicht schämt!“
Jasna: Ich schaue eigentlich auch fast jeden Sonntag Tatort.
Kannst du die Tatort-Begeisterung der Deutschen verstehen, Dar? Gibt es in Dänemark auch ein Format, bei dem alle einschalten und dann darüber sprechen?
Dar: Ich verstehe das total. In Dänemark gibt es auch ein paar beliebte Serien – zum Beispiel Borgen, The Killing oder Krieger. Da sitzt dann auch eine knappe Million Zuschauer um viertel nach acht vor dem Fernseher und guckt bis neun Uhr. Das ist doch eine sehr schöne Tradition, wenn alle gleichzeitig etwas schauen und sich am nächsten Morgen beim Kaffee darüber unterhalten. Und zwar nicht nur Nachrichten oder Sport, sondern auch das Kulturelle.
Wie gefällt euch denn eigentlich Bremen, eure neue Tatort-Heimat?
Luise: Bremen ist eine richtig schöne und lebenswerte Stadt. Besonders begeistert bin ich von dem breiten kulturellen Angebot. Wenn nicht gerade Corona-Pandemie ist, nehme ich das auch total gerne wahr. Und es ist natürlich schöner, in so einer Stadt zu arbeiten, als irgendwo, wo gar nichts los ist.
Jasna: Ich bin Borussia-Dortmund-Fan und war mal im Weserstadion gegen Werder. Der BVB hat zwar verloren, aber es war superangenehm und ich fühle mich in Bremen total wohl, trotz des schlechten Wetters! (lacht) Die Leute sind alle sehr nett und herzlich. Ich möchte unbedingt mal im Sommer hin, wenn die Restaurants hoffentlich wieder offen sind oder man mit ’nem Bierchen an der Weser sitzen kann.
Dar: Auf das Bierchen an der Weser freue ich mich auch schon, denn durch die Corona-Situation war es bisher schwierig, viel von der Stadt zu sehen. Aber ich bin trotzdem viel rumgelaufen, zum Beispiel im Bürgerpark. Was ich an der Stadt sehr mag, ist, dass sie nicht so groß ist, und die vielen alten Gebäude. Im Schnoor habe ich eine kleine Künstlergalerie gefunden. Dort habe ich mir ein paar schöne Sachen gekauft und mit nach Kopenhagen gebracht.
Verstehen sich super: Luise Wolfram, Jasna Fritzi Bauer und Dar Salim.
Bild: Radio Bremen/Matthias Hornung
Als Tatort-Kommissare werdet ihr zukünftig sicher noch häufiger auf der Straße erkannt – und das nicht nur in Bremen. Jetzt auch schon?

Dar: Die Deutschen kennen mich noch nicht so richtig, aber in Dänemark habe ich schon viele Sachen gemacht und einige Preise gewonnen – zum Beispiel Darkland, den erfolgreichsten dänischen Film seit Pusher. In Deutschland sind es nur ein bis zwei Selfies pro Tag, da kann ich praktisch noch alles machen, ohne erkannt zu werden. Das genieße ich auch. In Dänemark wissen fast alle, wer ich bin. Aber die Dänen sind da ganz locker, nicht so hysterisch wie manche Engländer oder Amerikaner.
Luise: Bei mir ist alles noch im Rahmen. In Bremen werde ich häufiger erkannt, natürlich auch, weil das die Stadt ist, in der wir ermitteln. Andere Tatort-Kommissare haben mir schon bestätigt, dass die Menschen einen besonderen Bezug zum Tatort aus ihrer Heimatstadt haben. Solche Begegnungen können ja sehr schön sein, weil man Feedback bekommt, wie ein Film ankam. Sonst findet das ja nur im Freundeskreis oder im Internet statt.
Jasna: Bei mir geht’s eigentlich auch noch. In Bremen wurde ich kaum angesprochen, in Berlin passiert mir das häufiger. Aber das gehört dazu und ist völlig ok, solange es nett und nicht respektlos ist. Es gehört ja auch viel Mut dazu, jemanden anzusprechen. Letzte Woche auf dem Markt hat neben mir ein Pärchen auf ’nem Roller angehalten und meinte: „Ey, bist du die aus jerks.?“
Vielen Dank für das Interview und toi, toi, toi für eure Tatort-Premiere am Pfingstmontag!
Interview: Lars-Christian Daniels