Folge 40
26. Mai 1974
Sender: BR
Regie: Michael Kehlmann
Drehbuch: Michael Kehlmann, Carl Merz
So war der Tatort:
Olympisch.
Bereits 1972 unter dem Titel Endlauf 4×100 Meter inszeniert, war die Erstausstrahlung der vierten Tatort-Folge mit Melchior Veigl (Gustl Bayrhammer) nämlich eigentlich nach Abschluss der Olympischen Sommerspiele in München auf den 10. Dezember 1972 terminiert worden. Nach dem palästinensischen Terroranschlag auf die israelische Mannschaft verschwand der sendefertige Film allerdings im Giftschrank und wurde teilweise umgeschrieben. Szenen im Umfang von etwa sechs Minuten drehte der Bayerische Rundfunk neu und ließ einzelne Dialoge nachsynchronisieren, damit der Tatort zwei Jahre später als ursprünglich geplant – nun neu vor dem Hintergrund der Fußball-WM 1974 angesiedelt und unter dem Titel 3:0 für Veigl – endlich seine Premiere feiern konnte.
Dabei muss der Oberinspektor in diesem Tatort nicht nur drei Fälle gleichzeitig aufklären, sondern sogar vier: Die Münchner Polizei ist wegen des sportlichen Großereignisses völlig überlastet und die Mordkommission muss Fälle übernehmen, die eigentlich nicht zu ihrem Arbeitsgebiet gehören. Neben der Fahndung nach einem geflüchteten Schwerverbrecher und Ermittlungen zu gefälschten Eintrittskarten für die WM ermittelt Veigl mit seinen Kollegen Ludwig Lenz (Helmut Fischer) und Josef Brettschneider (Willy Harlander) auch noch im Fall einer vermeintlichen Notwehr und eines angeblichen Selbstmords. Dass der Kriminale alle vier Aufgaben erfolgreich erledigen wird, spoilert dabei schon der Titel des Krimis (für den 4:0 für Veigl daher die bessere Wahl gewesen wäre).
Es ist nicht mehr viel zu spüren von der urbayrischen Gemütlichkeit, die vor allem den ersten Veigl-Fall Münchner Kindl bestimmte – andererseits können Buch und Inszenierung nicht den behaupteten Personalmangel und die angebliche Zusatzbelastung durch Überstunden transportieren. Dazu bleibt der Film einfach zu betulich. Zudem stehen die unterschiedlichen Ermittlungen völlig unverbunden nebeneinander. Wie in einer Nummernrevue begleitet der Film die Ermittler bei ihren Befragungen; die Handlungsstränge sind nicht einmal im Ansatz miteinander verwoben. So muss dann auch der Versuch scheitern, die verschiedenen Arbeitsfelder der Beamten im Sinn eines Kriminaldauerdienstes darzustellen.
Sicherlich hat die einleitend erwähnte Notwendigkeit zur Überarbeitung dem Film nicht gut getan, andererseits ist die erzählerische Grundstruktur ohne Zweifel schon in dem Drehbuch angelegt gewesen, das der österreichische Kabarettist Carl Merz und Regisseur Michael Kehlmann, der bereits bei Münchner Kindl für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnete, gemeinsam vorgelegt hatten. Die Assistenten Brettscheider und Lenz bleiben blass, der Auftritt des Stuttgarter Gastkommissar Eugen Lutz (Werner Schumacher) wird nur mühsam mit einem der vier aufzuklärenden Verbrechen verknüpft. Am Ende bleibt die Produktionsgeschichte des 40. Tatorts erheblich spannender als der Film selbst.
Bis in kleine Nebenrollen hochkarätig besetzt, nutzen einige Urgesteine des bayrischen (Film-)Schauspiels aber zumindest ihre Chance, in diesem Krimi vergnügliche Episoden zu gestalten. Mircea Krishan (Annoncenmord), Ludvik Askenazy, der Volksschauspieler Max Grießer (Im Fadenkreuz), Fritz Strassner (Treffpunkt Friedhof), Gustl Weishappel (Riedmüller, Vorname Sigi) und Elisabeth Karg (Tote brauchen keine Wohnung) können mit ihren Auftritten allerdings nicht kaschieren, dass die einzelnen Geschichten – selbst für einen deutschen Krimi der 1970er Jahre – einfach zu harmlos sind.
Zu altbacken wirken auch die Atmosphäre im Polizeipräsidium, die Darstellung einer Befragung im Striptease-Lokal und Veigls gemeinsames Abendessen mit seinem Dackel Oswald. Das sind alles nette Szenen, sie erinnern aber eher an den Schmäh der Wiener Tatort-Folgen mit Viktor Marek lassen noch keine eigene Richtung erkennen, die der BR in seinen Beiträgen profilieren könnte. Zu bedenken ist allerdings, dass die Verantwortlichen nach ihrem kontrovers aufgenommenen Erstling Münchner Kindl in diesem (produktionstechnisch gesehen ja erst zweiten) Veigl-Film noch nach dem richtigen Konzept suchen, das sie erst im dritten Münchner Tatort Weißblaue Turnschuhe finden.
Bis dahin bleibt vor allem die Interaktion zwischen dem Oberinspektor und seinem Hund Oswald nachhaltig in Erinnerung, die nun fast ausschließlich abseits der kriminalen Ermittlungen stattfindet. Mit ihm diskutiert Veigl und teilt sein Schnitzel, er transportiert seinen Dackel in diesem Tatort auch wieder in seiner Aktentasche. Mehr noch: Oswald, der an das 1972er Olympia-Maskottchen „Waldi“ erinnert, trägt diesmal sogar entscheidend und tatkräftig zur Verhaftung eines Bösewichts bei. Und bekommt beim obligatorischen abschließenden Besuch im Münchner Olympiastadion noch einen Spezialauftrag von seinem Herrchen…
Bewertung: 5/10
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