Folge: 65 | 15. August 1976 | Sender: NDR | Regie: Jürgen Roland
Zusammengestückelt.
Denn aus dem hohen Zeitdruck bei der Produktion resultiert ein unausgegorener Film: Weil sich die Entwicklung der mit Das stille Geschäft beginnenden Spionage-Tatort-Serie verzögerte, musste der NDR eine schnelle Lösung finden, um einen bereits für den Sommer 1976 terminierten Tatort zu liefern. Erst im Winter und Frühjahr hatte Regisseur und Tatort-Debütant Jürgen Roland die Romanvorlage zum Krimi gelesen, im Juni wurde … und dann ist Zahltag gedreht und schon im August folgte die Erstausstrahlung.
Das Basismotiv eines Kriminalromans von Joachim Jessen und Detlef Lerch bildet dabei die Grundlage für das schwache Drehbuch: Werner Jörg Lüddecke, der in den Jahren zuvor unter anderem für Jürgen Roland’s St. Pauli-Report aktiv gewesen war, entwickelt zusammen mit dem Regisseur eine Rahmenhandlung um die recht originelle Idee des Romans, die allerdings nur ein dünnes Feigenblatt bildet, um den 65. Tatort überhaupt in der niedersächsischen Landeshauptstadt ansiedeln zu können. Und ausgerechnet die Idee, die Roland beim Lesen des Romans gefesselt hatte, bleibt blass und entbehrt fast jeglicher Spannung.
Kommissar Heinz Brammer (Knut Hinz) spielt ebenso wie sein Assistent Henkel (Günther Heising) und die Stadt Hannover bereits nach 20 Minuten keine Rolle mehr, wenngleich man ihn einleitend mit den Ermittlungen betraut: Bei seinem dritten Fall nach Kneipenbekanntschaft und Mordgedanken verabschiedet sich Brammer kurz und schmerzlos in die Sommerferien und lastet die weiteren Recherchen dem Polizeiobermeister Ferdinand Hesse (Uwe Dallmeier, Jagdrevier) auf, der sich ebenfalls im Urlaub befindet.
BRAMMER:Letzte Nacht vor dem Urlaub Bereitschaftsdienst ist schon eine Zumutung und dann noch sowas. Man sollte wirklich Tatzeiten nach Mitternacht bei der Strafzumessung als besonders heimtückisch bewerten.
Anders als Brammer weilt sein Kollege allerdings in Heiligenhafen – und eben dort schlägt das Herz dieses Sommerkrimis. Hesses Urlaub bildet die Brücke zur einer Abrechnung unter Ganoven: Gemeinsam hatten Otto Wollgast (Dirk Galuba, Tote reisen nicht umsonst) und Ewald Merten (Jörg Pleva, Der König kehrt zurück) einst einen Supermarkt überfallen – ein Verbrechen, das im Prolog des Krimis illustriert wird. Weil Wollgast anders als abgesprochen eine Schusswaffe benutzte, wandte sich Merten damals gegen seinen Komplizen und wurde zu einer kürzeren Haftstrafe verurteilt.
In Heiligenhafen verbringen auch das damalige Opfer, der nun in Finanznöten steckende Supermarktbesitzer Schürmann sen. (Rudolf Schündler, Kressin und der Mann mit dem gelben Koffer), und sein Sohn Schürmann jun. (Werner Pochath, So ein Tag…) ihre Ferien – und dorthin hat sich auch Wollgast aufgemacht, um Merten, nach Verbüßen seiner Strafe als Fahrer und „Mädchen für alles“ in Schürmanns Diensten, zu erpressen. Er sinnt auf Rache.
Polizeiobermeister Hesse gerät zufällig in die Sache hinein und freundet sich am Ostseestrand prompt mit Angelika (Evelyn Bartsch) an, der fünfjährigen Tochter von Merten und seiner Frau Margot (Monica Bleibtreu, Alles umsonst), und lernt auch ihre Eltern kennen: So bekommt er mit, dass Angelika entführt wird und versucht zu ergründen, warum Merten, der doch scheinbar auf den Pfad der Tugend zurückgefunden hatte, später erneut eine Straftat begeht.
Einen Auftaktmord – und das ist für die Krimireihe ungewöhnlich – gibt es in diesem Tatort allerdings nicht: Einer gelungenen Einleitung mit Überfall und Einbruch im „Jürgen-Roland-Reportage-Stil“ folgt ein viel zu lang geratener und behäbig inszenierter Mittelteil, in dem Hesse seinen Urlaub genießt und Beobachtungen macht, die später von Bedeutung sind. Stimmig arrangiert sind unterm Strich allein der Auftakt und das Finale, denn spannend wird es allenfalls bei der Abrechnung zwischen den Bösewichten.
Entsprechend uninspiriert ist auch das Spiel der Darsteller: Allein Dirk Galuba hat erkennbar seine Freude daran, einen Ganoven zu spielen. Beim Zusammenspiel von Jörg Pleva und seiner Film-Ehefrau Monica Bleibtreu stimmt die Chemie hingegen selten. Und Uwe Dallmeier scheint sich nie entscheiden zu können, ob er einen liebevollen Ersatz-Opa für die kleine Angelika oder einen zurückhaltenden Ermittler darstellen will, was ihm später als Tatort-Kommissar Schnoor in Wat Recht is, mutt Recht blieben erheblich besser gelingt.
Neben der miserablen Kamera, die pausenlos Ortsschilder oder Ziffernblätter in Großaufnahme einfängt, um das Geschehen räumlich und zeitlich zu verorten, ist besonders die musikalische Gestaltung des Films erwähnenswert: Neben elektronischen Soundeffekten von Heinz Funk untermalen auch Schlager, Stücke von Emerson, Lake & Palmer und Blood, Sweat & Tears oder Ausschnitte aus Ennio Morricones Soundtrack zu Mein Name ist Nobody das Geschehen.
So richtig zusammen passt aber auch das alles nicht.
Bewertung: 3/10
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