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Die Kommissarin: Gefährliche Übertragung

Folge: 355 | 31. März 1997 | Sender: NDR | Regie: Petra Haffter

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So war der Tatort:

Nicht an seinem Platz. 

Denn eigentlich gehört Die Kommissarin nach Frankfurt in die gleichnamige 60-minütige Vorabendserie (1994-2006) des Hessischen Rundfunks – nun aber findet sie sich unvermittelt in Hamburg wieder, im ersten von zwei NDR-Beiträgen zur Tatort-Reihe. 
An der Elbe ist Lea Sommer (Hannelore Elsner, Renis Tod) dementsprechend auch noch nicht so richtig angekommen; sie lebt aus den Umzugskisten, als sie zu einem Todesfall gerufen wird: Die 19-jährige Marcia Nasovicz ist aus einem Hochhaus gestürzt. Mord oder Suizid? 
Ermittlungen im Milieu ihrer bosnischen Familie lassen deutlich werden, in welcher inneren Zerrissenheit die Frau zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Leila (Sophie Steiner, Spuk aus der Eiszeit) groß wurde: Zwischen den muslimischen Traditionen, die der Vater (Erden Alkan, Brandwunden) lebt und dem Glauben ihrer Mutter (Adriana Altaras), einer katholischen Kroatin, versuchten beide Kinder, ihren eigenen Weg zu gehen. 
Leila vertraut der Ermittlerin an, dass Marcia bei Dr. Gerhard Thoma (Hansa Czypionka, Inflagranti) in Behandlung war. Fasziniert von dem eloquenten, aber auch tatverdächtigen Psychotherapeuten findet die Kommissarin schließlich den Schlüssel zur Lösung des Falls – wenn auch ganz anders, als das zuerst hätte erwartet werden können. 
In einer langen Dialogsequenz mit dem Therapeuten lernt der Zuschauer Lea Sommers Wesen kennen: Sie stellt sich mit den vermeintlich klassischen Fraueneigenschaften dar, ist mitfühlend und impulsiv, und die Kameraführung tut ihr Übriges, um die sinnliche Mitfünfzigerin auch adäquat in Szene zu setzen.


DR. THOMA:

Im Moment wäre mir wichtig, was eine so schöne Frau veranlasst hat, ihr Leben mit Mord und Todschlag zu verbringen.


Das ist jedoch keine Frage nach einer Rechtfertigung für die Wahl eines vermeintlichen Männerberufs; diese antiquierten Überlegungen haben beide Protagonisten längst überwunden – auch wenn im Laufe der Ermittlungen deutlich wird, dass gerade der „Frauen“-Blick entscheidend ist zur Aufklärung. Lea Sommer ist emanzipiert, die Fragen nach klassischem Männer- oder Frauenberuf stellen sich ihr nicht mehr. Sie muss ihre Weiblichkeit nicht verstecken, um im Beruf zu reüssieren. 

Überhaupt ist es gerade der Fokus auf Frauen, der Die Kommissarin: Gefährliche Übertragung seinen besonderen Charakter verleiht. Neben Sophie Steiner haben Barbara Rudnik (Liebe, Sex, Tod), Angelika Bartsch (Animals) und Anna Thalbach (Eulenburg) starke Auftritte. Männer spielen fast ausschließlich als Polizeibeamte mit. 
So beschäftigt das durchwachsene Drehbuch von Eva Maria Mieke die Frauen damit, um die Figur des Dr. Thoma zu kreisen. Hansa Czypionka spielt den undurchsichtigen Therapeuten übergriffig und zugleich so gefällig, dass es schwerfällt, seinem Charme nicht zu erliegen. Ihm gegenüber bleibt Hannelore Elsner in ihrer Kommissarsrolle überraschend blass: Zu eindimensional wird die Kommissarin durch Buch und Inszenierung, aber auch durch ihr eigenes Spiel auf ihre Selbstverliebtheit reduziert. 
Der Krimiplot, der eigentlich eine gute Basis für den Film hätte abgeben können, trägt letztlich doch keinen 90-minütigen Tatort. Auch die Umstände für Sommers Ausflug an die Elbe bleiben ziemlich rätselhaft. Das beginnt damit, dass allein die Figur Lea Sommer aus dem Vorabenduniversum in den Sonntagabend übernommen wurde. Ihr damaliger Serien-Filmpartner Til Schweiger schafft erst 16 Jahre später in Willkommen in Hamburg den Sprung in den Norden, ihn ersetzt Andreas Herder in seiner Rolle als Assistent Udo Verhoff. 
Die Ungereimtheiten setzen sich fort, als dem gewohnten Tatort-Vorspann ein weiterer, ziemlich schlampig editierter Vorspann aus der HR-Vorabendreihe folgt, in den zu allem Überfluss die Aufnahmen des Polizeihubschraubers doppelt, dafür einmal spiegelverkehrt, hineingeschnitten sind. Und es passt ins Bild, dass Hauptdarstellerin Elsner schon vor der TV-Premiere des Films damit haderte, erst durch eine Presseankündigung von der Aufnahme ihrer Serienfigur in die Hauptabendreihe erfahren zu haben – und zugleich beklagte, dass deren Geschichten dramaturgisch nicht in den Tatort passen. 
So bleibt Die Kommissarin: Gefährliche Übertragung im Tatort und in der Hansestadt ebenso ein Fremdkörper wie Sommers zweiter Fall Die Kommissarin: Alptraum.

Bewertung: 3/10

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