Folge 406
14. Februar 1999
Sender: WDR
Regie: Claus-Michael Rohne
Drehbuch: Peter Zingler
So war der Tatort:
Jeck.
Und das nicht nur, weil Köln fest in der Hand der Karnevalisten ist, die verkleidet durch die Straßen ziehen und feuchtfröhlich die fünfte Jahreszeit feiern. Da dürfen auch die Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) nicht fehlen, die sich zum Auftakt ihres sechsten gemeinsamen Falles und in Begleitung von Assistentin Lissy Pütz (Anna Loos) ebenfalls ins närrische Treiben stürzen – wenn auch nicht immer mit der ganz großen Begeisterung. Gerade Ballauf fremdelt, genau wie 2017 im thematisch ähnlich gelagerten Tanzmariechen zu beobachten, erheblich mit der rheinischen Fröhlichkeit und ist auf der Suche nach Anschluss zurückhaltend.
Anders als das lebensfrohe Tanzmariechen Birgit Lagerhoff (Helga Bellinghausen, Klassentreffen), das am nächsten Morgen erwürgt vor einer psychiatrischen Anstalt gefunden wird. Der Aufschrei ist groß, denn im Zusammenhang mit der Einrichtung wurde bereits ein ähnliches Verbrechen verübt. So ist der Weg nicht weit und ein Mörder auf dem Silbertablett schnell präsentiert: Der künstlerisch begabte, aber psychisch labile Patient Harald Berger (Alexander Radszun, Strahlende Zukunft) genoss in der Nacht des Mordes Ausgang, hatte sich aber im Karnevalstrubel dermaßen die Kante gegeben, dass er sich an nichts mehr erinnert.
Anstaltsleiter Prof. Konski (Siegfried W. Kernen, Der Name der Orchidee) hält zwar schützend die Hand über seinen Patienten und bescheinigt ihm eine gute Sozialprognose, kann aber gegenüber Ballauf das titelgebende Restrisiko nicht leugnen. Während Ballauf das Innenleben der Psychiatrie inspiziert und dabei ungeahnte Unterstützung vom sympathisch-pfiffigen Momo Meyer (Jörg Propach) erhält, muss Schenk das Umfeld des Opfers abklappern und seinen Karnevalsvereinskameraden unangenehme Fragen stellen. Lissy hält derweil im Präsidium die Stellung, wo es in Zeiten von Karneval reichlich turbulent zugeht:
Ein Satz, der den Gesamteindruck der 406. Tatort-Folge treffend auf den Punkt bringt. Der Inszenierung des nur einmalig für die Krimireihe auf dem Regiestuhl Platz nehmenden Claus-Michael Rohne mangelt es vor allem an Glaubwürdigkeit, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Den Filmemachern gelingt es zu keiner Zeit, das närrische Treiben in der Domstadt authentisch darzustellen. Damit nicht in Vergessenheit gerät, dass Karneval ist, hängen etwa in nahezu jeder Einstellung Massen an Luftschlangen, aus jedem Radio dudeln Fastnachtslieder und die immerselben steifen Statisten hampeln im Hintergrund bemüht durchs Bild.
Die auffallend künstliche Atmosphäre ist auch kaum damit zu entschuldigen, dass Rohne den Kölner Rosenmontagszug in seinen Film integrieren wollte, dafür aber keine Genehmigung erhielt und sich anders helfen musste. Das Ergebnis ist etwa ein misslungener Running Gag mit zwei als Blues Brothers verkleideten Gestalten, die in der Auftaktsequenz am Tresen sitzend von der Kamera eingefangen werden und später im Präsidium wieder auftauchen. Das wirkt nur mäßig witzig, dafür aber irritierend.
Auch weitere Nebenfiguren werden in ihrer Darstellung der Lächerlichkeit preisgegeben. Der Ehemann der Toten (Michael Schütz) etwa, der dauerpöbelnd und mit Bierflasche in der Hand genauso karikaturesk wirkt wie der Anstaltsinsasse und verurteile Serienmörder Herbert Mumann (Stephan Wolf-Schönburg). Mit Fistelstimme, Perücke und Nacktbildern von Frauen an der Wand seines Zimmers erfüllt er wirklich jedes billige Klischee eines Sexualstraftäters.
Apropos Klischee: Dass sich die selbstbewusste Anwältin Ellen Strohmeier (Marie-Lou Sellem, Made in China) mit dem angeblich so sensiblen Feingeist Berger einlässt, der eigentlich der Mandant ihres Mannes Jürgen (Robert Giggenbach, Blaues Blut) ist, überzeugt ebenfalls nicht restlos. Gleiches gilt für die Tatsache, dass der unter dringendem Mordverdacht stehende Berger, trotz Verstoßes gegen seine Auflagen und Flucht aus der psychiatrischen Einrichtung, weiterhin Freigang (!) bekommt, um ausgelassen Karneval zu feiern.
Es ist eines von vielen kratergroßen Logiklöchern in der Geschichte von Drehbuchautor Peter Zingler (Spargelzeit), der sogar einen Gastauftritt hat: Als Schuster nimmt er sich der Schuhsohlenproblematik von Schenks Cowboystiefeln an und verhilft dem Kommissar in einer wunderbar selbstironischen, als Westernparodie angelegten Sequenz wieder zu mehr Standsicherheit. Es ist eine der wenigen wirklich geglückten humorvollen Sequenzen, die ansonsten oft in die unfreiwillige Komik abdriften.
Mit Lotti Krekel in der Rolle der Sekretärin Frau Meyer und Peter Millowitsch als aufgeblasener Politiker hat der Cast zudem zwei echte Kölner Urgesteine in seinen Reihen, die mit breitem rheinischen Dialekt für reichlich Lokalkolorit sorgen. Auch ihre Auftritte können diesen schwachen Kölner Tatort am Ende aber nicht retten. Denn auch die Auflösung kommt so wenig überraschend wie die oft zitierte Katerstimmung am Aschermittwoch.
Bewertung: 3/10
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