Folge: 407 | 7. März 1999 | Sender: BR | Regie: Peter Fratzscher
Bild: Bavaria Film GmbH/BR/klick/Rolf von der Heydt |
So war der Tatort:
Obergärig.
Denn bei ihrem 22. Fall sind die Münchner Hauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) besonders bayrisch-traditionell unterwegs: Beim alljährlichen Starkbieranstich wird in der Benedictus-Brauerei mit den vom Oktoberfest bekannten Worten „O’zapft is!“ feierlich die Starkbierzeit eröffnet. Mit dabei sind nicht nur Münchner Politiker und das Who’s who des Brauereigewerbes, sondern auch Assistent Carlo Menzinger (Michael Fitz): Der Bierfan wurde von seinem Fußball-Spezl, dem Getränkegroßhändler Anton Irlbeck (Christoph Gareisen, Mauerpark), eingeladen und kommt bei der Veranstaltung voll auf seine Kosten.
Batic und Leitmayr sind währenddessen bei einem nächtlichen Einsatz eingespannt: In einer etwas abstrusen Nebenhandlung suchen die beiden nach einem kroatischen Auftragskiller, wodurch es schon zehn Minuten nach dem Intro zum ersten Einsatz eines Sondereinsatzkommandos samt Rauchgranaten kommt. So nimmt der Tatort schon vor dem eigentlichen Mord an Fahrt auf – auch wenn wir nie ganz verstehen, was es mit diesem Parallelfall eigentlich auf sich hat.
Neben dem feuchtfröhlichen Bierfest und dem dramatischen SEK-Einsatz eröffnet Drehbuchautor Michael Wogh, der mit Starkbier zum ersten und letzten Mal für den Tatort im Einsatz war, in dieser Nacht noch einen weiteren Schauplatz: Marketingdirektor Dr. Maximilian Meindl (Nikol Voigtländer, Licht und Schatten) schaut sich heimlich im Sudhaus der Benedictus-Brauerei um. Am nächsten Morgen ist er tot – scheinbar aufgrund eines im Alkoholrausch selbst verursachten Autounfalls.
Da Batic und Leitmayr noch mit dem kroatischen Killer beschäftigt sind, ist der verkaterte Carlo Menzinger allein am Tatort und übernimmt den Fall kurzerhand selbst. Dafür ist er auch prädestiniert: Wie wir aus späteren Folgen wie Die letzte Wiesn wissen, sind die Münchner Kommissare eher keine Experten für Oktoberfest & Co. Menzinger vermutet, dass der Unfall bloß inszeniert wurde, und beginnt eher intuitiv als strukturiert seine Ermittlungen. Die vielbeschäftigten Kommissare überlassen ihm den Fall etwas widerwillig.
LEITMAYR:Ist schon recht, Carlo. Der Fall Meindl ist dein Bier.BATIC:Aber wenn du Murks machst, dann ist es unser Bier, weil wir tragen die Verantwortung.
Das geringe Vertrauen in den sonst nur assistierenden Kollegen ist nicht ganz unberechtigt. Regisseur Peter Fratzscher (Der Finger) gibt uns hinter dem Rücken der Kriminalisten immer wieder kurze Einblicke in die Machenschaften in der Traditionsbrauerei, und wir ahnen, dass Menzinger bei seinen Befragungen den falschen Leuten vertraut. Vom Direktor Eisinger (Werner Haindl, Frau Bu lacht) über den Braumeister Kiem (August Schmölzer, Tod unter der Orgel) bis hin zum Angestellten Jiri Hasek (Aleksandar Jovanovic, Gott ist auch nur ein Mensch) scheinen auch alle Mitarbeitenden der Brauerei etwas zu verbergen, und uns wird erst mit der Zeit klar – wenn auch vor den Kommissaren – wer wirklich hinter dem Mord an Meindl steckt.
Damit bewegt sich Starkbier irgendwo zwischen einem Whodunit und einem Howcatchem. Die Tätersuche lässt nicht wirklich Spannung aufkommen und die Ermittlungsarbeit des Münchner Trios ist durch ihre Ineffektivität selten packend. Der Film lebt vor allem von seiner hohen Handlungsdichte innerhalb der 90 Minuten: Er bietet Schusswechsel und Handgemenge, zwei versuchte Morde, wütende Verhöre, einen harten Schnitt von einer Kussszene zu einer blutüberströmten Leiche und Verfolgungsjagden. So bleibt die Folge stets kurzweilig und unterhaltsam – solange man nicht den Anspruch hat, die Handlung bis ins Detail nachzuvollziehen.
Dass Carlo Menzinger als Ermittler dermaßen im Mittelpunkt steht und sich sogar auf eine Affäre mit Sabine Irlbeck (Marie Munz) einlässt, ist zudem eine nette Abwechslung und ein im Münchner Tatort selten zu beobachtender Perspektivwechsel. Seine unkonventionelle Vorgehensweise bringt zusätzlichen Schwung in die traditionelle Polizeiarbeit, und trotzdem kommen auch Batic und Leitmayr mit ihrer üblichen Dynamik nicht zu kurz. Die Ermittler sind stellenweise in Möchtegern-James-Bond-Manier unterwegs: Auch angeschossen oder mit Gehirnerschütterung büxen sie gleich wieder aus der Notaufnahme aus, um den Verdächtigen auf den Fersen zu bleiben. Am Ende trägt jeder eine Verletzung davon – und die Kommissare verabreden sich zur Erholung erstmal auf ein Bier.
Bewertung: 6/10
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