Folge: 1036 | 19. November 2017 | Sender: WDR | Regie: Lars Jessen
Bild: WDR/Wolfgang Ennenbach
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Aktionskünstlerisch.
Denn in Gott ist auch nur ein Mensch ermitteln Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und seine Kollegin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) auf den Internationalen Skulpturtagen in Münster: Eine vorm Rathaus aufgestellte Clownsfigur entpuppt sich als Leiche eines ehemaligen Stadtrats, der vom Verdacht der Unzucht mit Kindern freigesprochen wurde. Hat sein Mörder Selbstjustiz geübt?
Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) und seine Assistentin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) finden Hinweise auf einen Serientäter – und spätestens, als dieser ein zweites Opfer zum Kunstwerk drapiert und öffentlich zur Schau stellt, ist die Jagd auf ihn eröffnet. Neben dem selbstverliebten Aktionskünstler Zoltan „G.O.D.“ Rajinovic (Aleksandar Jovanovic, Alles hat seinen Preis) rücken auch seine Kollegen Jan Christowski (Christian Jankowski) und Swantje Hölzel (Raphaela Möst) ins Visier der Ermittler. Kuratorin Klara Wenger (Victoria Mayer, Goldbach), deren Mutter Nika (Gertie Honeck) gut mit Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) bekannt ist, kommt die Publicity derweil nicht ungelegen, doch die Befragungen liefern wenig brauchbare Erkenntnisse.
Die spielen aber einmal mehr nur eine untergeordnete Rolle: Regisseur Lars Jessen (Feierstunde) und die Drehbuchautoren Christoph Silber und Thorsten Wettcke, die zuletzt die Münster-Krimis Schwanensee und Zwischen den Ohren konzipierten, setzen voll auf das langjährige westfälische Erfolgsrezept mit dem mal mehr, mal weniger originellen Dialogwitz, einem Kriminalfall ohne Anspruch auf Realitätsnähe und den gewohnten Frotzeleien der Figuren, die bei ihrem 32. Einsatz voll in ihrem Element sind.
BOERNE:Alberich, Sie müssen mal über den Tellerrand hinausschauen. Ich mache Ihnen gern die Räuberleiter.
Tiefgang und Spannung bleiben vor allem in der ersten Filmhälfte auf der Strecke, aber die Fans von Thiel und Boerne kommen auf ihre Kosten: Der eitle Gerichtsmediziner neckt die tapfere Haller, der mürrische Kommissar moniert Klemms Nikotinsucht und
auch „Vaddern“ Herbert Thiel (Claus Dieter Clausnitzer) tut in Gott ist auch nur ein Mensch wieder das,
was er am besten kann: Taxi fahren, Drogen konsumieren und seinen Sohn
zur Weißglut treiben.
Das alles hat man im Tatort aus Münster schon etwa 32 Mal gesehen, und
auch die Nebenfiguren bekommen traditionell wenig Platz zur Entfaltung:
Die Stars und Stichwortgeber für den nächsten Gag sind wie immer die Ermittler.
Wenigstens einem Verdächtigen verleihen die Filmemacher aber
Profil: Aleksandar Jovanovic gibt als überzeichneter
Aktionskünstler G.O.D. („Denken tun nur die Dummen!“) Einblicke in seine exzentrische Künstlerseele und zugleich das Enfant Terrible, das den nicht
minder ich-fixierten Hobbykünstler Boerne sofort fasziniert.
Sicher: Ein Faible für Kunst und Künstler hätte Krusenstern oder Alberich genauso gut zu Gesicht gestanden, was mal für Abwechslung gesorgt hätte – in Münster frönt aber fast immer Boerne einer neuen
Leidenschaft, die dann in irgendeinem Zusammenhang zum Mord steht (so auch im Vorgänger Fangschuss).
Auch andernorts häufen sich die Zufälle: Thiel und Kuratorin
Wenger, nicht gerade im selben Alter, kennen sich angeblich aus der freizügigen Zeit ihrer Eltern
in einer Kommune – dass Wenger diese wieder aufleben lassen möchte, wirkt mehr als bemüht und generiert
keine einzige brauchbare Pointe. Deutlich origineller ist der Kriminalfall, der runder wirkt als in manch anderer Folge aus Münster: Dass der Mörder den in
familienkompatibler Hannibal-Manier drapierten Leichen Botschaften mitgibt und sich aus diesen Puzzleteilen erst kurz vor dem
Showdown ein schlüssiges Gesamtbild ergibt, animiert zum Miträtseln.
Wenngleich die Auflösung eingefleischten Tatort-Kennern nur ein müdes Lächeln abringen dürfte, wartet der 1036. Tatort doch noch mit einer überzeugenden Schlussviertelstunde auf, die
ein Stück weit für die vielen Klischees, die ausgelutschten
Erzählmuster und so manchen misslungenen Witz entschädigt. Wenn sich der
verschlafene Thiel nämlich statt seines klingelnden Steinzeit-Handys,
das seit 15 Jahren denselben Hans-Albers-Klingelton spielt, seine
Fernbedienung ans Ohr hält und das Gespräch annehmen will, verkommt der
Film vorübergehend zur Klamotte – deutlich gelungener ist da schon die an Pulp Fiction angelehnte Spielerei mit dem Inhalt eines Koffers, die diesen Schmunzelkrimi vom Reißbrett eigenwillig
abrundet.
CHRISTOWSKI:Und? War das jetzt Kunst? Entscheiden Sie selbst.
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