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Bittere Mandeln

Folge: 437 | 5. März 2000 | Sender: WDR | Regie: Kaspar Heidelbach

Bild: WDR/Bernd Spauke
So war der Tatort:
Von Beginn an am Ende. 
Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen, denn Bittere Mandeln startet und endet nach 90 Minuten exakt an dem Ort, an dem Menschen für gewöhnlich ihre letzte Ruhestätte finden: auf dem Friedhof. Das ist kein Zufall. In der 437. Tatort-Folge ist der Tod allgegenwärtig. 
Und das nicht nur, weil bereits nach wenigen Minuten die obligatorische Auftaktleiche begutachtet wird: Der vermögende, aber gleichzeitig todkranke Gerd Weisbach liegt tot in seiner Villa und verströmt dabei den Duft der titelgebenden Bittermandel. Weisbach starb nämlich – wie Rechtsmediziner Dr. Roth (Joe Bausch) schon am Tatort richtig vermutet – an einer Vergiftung durch Zyankali. Sein Ableben ruft die Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) auf den Plan und schickt sie einmal mehr auf ein gesellschaftliches Minenfeld: In diesem Fall ist es die aktive Sterbehilfe. 
Solche kontrovers diskutierten Themen sind typisch für die Folgen aus der Domstadt rund um die Jahrtausendwende (man denke nur an die Debatte um Schwangerschaftsabbrüche in Licht und Schatten). Und auch beim elften gemeinsamen Einsatz der beliebten Ermittler setzt Drehbuchautor Karl-Heinz Käfer (Auskreuzung) auf dieses bewährte Konzept. Dabei muss man den Filmemachern um Regisseur Kaspar Heidelbach, der auch die ersten beiden Ballauf-und-Schenk-Folgen Willkommen in Köln und Bombenstimmung inszenierte, zugute halten, dass sie angesichts des Themas nicht der Versuchung unterliegen, den Film zum emotionalen Rührstück verkommen zu lassen. Heidelbach inszeniert vielmehr einen klassischen Whodunit, der neben der Suizidtheorie gleich eine ganze Reihe von Verdächtigen zu bieten hat. 
Da ist Weisbachs jüngere Geliebte Marion Grimm (Jana Hora), die auf ihren neu gewonnen Luxus in Form einer geräumigen Wohnung und eines eigenen Fitnessstudios – finanziert von Weisbach – nicht mehr verzichten will und sich längst mit Bodybuilder Ralf Simon (Norbert Heisterkamp, Schwindelfrei) vergnügt. Da ist der ehemalige Eishockeyprofi Axel Nehls (Markus Knüfken, Und immer gewinnt die Nacht), der nach einem von Weisbach verschuldeten Unfall vom Halswirbel abwärts gelähmt ist und die Spiele der Kölner Haie nur noch von der Tribüne aus verfolgen kann. Da ist dessen ebenso verzweifelte wie rachsüchtige Ehefrau Dagmar (Susanna Simon, Die Möwe). Und da ist Pfleger Martin Lotz (Ralf Bauer, Warum), dessen sterbewillige Patienten in bemerkenswerter Häufigkeit das Zeitliche Segnen.
Viel zu tun also für Ballauf und Schenk, die sich routiniert durch die Wann-haben-Sie-den-Toten-zuletzt-gesehen-Standardmomente arbeiten, beim Feierabendbier an der Wurstbude betroffen die Lage bewerten und dabei angelesene Fakten zum Besten geben. Das ist nicht neu, das kennen wir auch im Jahr 2000 schon. Und ja, das funktioniert auch Jahrzehnte später noch. Die Filmemacher setzen auf Bewährtes und gehen einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema Sterbehilfe aus dem Weg. 
Stattdessen verwenden sie viel Zeit auf die Charakterzeichnung der beiden Kommissare: Während Autofreund Schenk in dieser Folge gleich zwei Mal entsetzt die Unfallschäden an seinem heißgeliebten Dienstwagen, einem 1977er Chevrolet Caprice, begutachten muss, darf Junggeselle Ballauf sein Image als Frauenschwarm aufpolieren und mit der frisch verwitweten Evelyn Weisbach (Renée Soutendijk, Rache-Engel) flirten. Als Femme fatale wirft sie sich ihm ungeniert an den Hals. 
Zu den Nebenfiguren und ihren Geschichten finden wir allerdings kaum Zugang, sie wirken – um im Bild zu bleiben – erstaunlich leblos. Daran ändert leider auch die musikalische Untermalung durch David Bowie und Edith Piaf wenig. Die seltenen Versuche, echte Betroffenheit zu erzeugen, wirken unbeholfen, etwa wenn Assistentin Lissy Pütz (Anna Loos) im Präsidium das Video eines Mannes kommentiert, der sich vor laufender Kamera mit Zyankali vergiftet.

PÜTZ:
Also ich weiß nicht, ob ich Zyankali nehmen würde.

Ich glaub‘ ich würde aus’m Fenster springen.

BALLAUF:
Ist ja gut, Lissy.

PÜTZ:

Keine Angst, ich wohn‘ parterre.


Apropos Lissy: Die muss sich diesmal nicht nur peinlich-anzügliche Bemerkungen von Staatsanwalt von Prinz (Christian Tasche) anhören („Für eine so nette Kollegin mache ich mich doch gerne frei!“), sondern bekommt zum Geburtstag versehentlich einen Grabschmuck geschenkt. Diese Gags zünden nicht wirklich, sie wirken eher fehl am Platz und nehmen dem Thema Sterbehilfe die Seriosität, die es verdient gehabt hätte. 
Doch da ist noch der große Lichtblick und heimliche Star des Films: Die unvergessene Ilse Werner ist in Bittere Mandeln als Freddy Schenks Oma Gertrud zum ersten Mal im Tatort, gleichzeitig aber auch in ihrer letzten Fernsehrolle zu sehen und sorgt mit einer herrlich selbstironischen Darbietung als Lockvogel für die beste(n) Szene(n) des Films. Man hätte ihr mehr Kamerazeit gegönnt.
Bewertung: 5/10

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