Folge: 549 | 30. November 2003 | Sender: NDR | Regie: Thomas Freundner
Bild: NDR/Manju Sawhney
So war der Tatort:
Folgerichtig.
Denn was läge näher, als für die Hauptrolle des Hauptkommissars Klaus Borowski im ersten Kieler Tatort der Reihe nach dem Abschied von Kommissar Finke (Klaus Schwarzkopf) einen gebürtigen Kieler zu verpflichten?
Die Wahl des NDR fiel auf Axel Milberg, 1956 in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt geboren, und sie erweist sich als goldrichtig: Die Rolle des unterkühlten, ständig schlecht gelaunten Ermittlers ist Nordlicht Milberg, der zuvor bereits in den Tatorten Klassen-Kampf, Streng geheimer Auftrag und Der Trippler als Nebendarsteller zu sehen war, wie auf den Leib geschrieben.
Borowski nölt bei seinem ersten Auftritt so ziemlich an allem rum – an den Therapiestunden bei seiner zukünftig dauerhaften Weggefährtin, der Polizeipsychologin Frieda Jung (Maren Eggert), an der Radiomusik seines aus Aserbaidschan stammenden Kollegen Alim Zainalow (Mehdi Moinzadeh), der ebenfalls auf Jahre fest zum Cast an der Ostseeküste zählt, und an der Informationspolitik im Präsidium.
Nur an einer Person hat er nichts auszusetzen: an seiner Tochter Carla (Neelam Schlemminger). Die bringt in Väter schon bei der ersten Begegnung am Bahnhof nicht nur ihren verbiesterten Vater zum Auftauen, sondern auch gehörig Leben in den 549. Tatort: Fröhlich dreht die Elfjährige im Radio die Hook des Obie-Trice-Songs Adrenaline Rush auf, bei dem gefühlt jedes dritte Wort „motherfucker“ lautet, und blättert sich in Seelenruhe durch Leichenfotos in den Ermittlungsakten auf Borowskis Schreibtisch.
Dieser Drehbuchkniff von Autor Orkun Ertener (Märchenwald) sorgt nicht nur für den einen oder anderen Lacher, sondern bietet zugleich Gelegenheit, den Hauptkommissar als vielschichtigen Charakter einzuführen: Borowski wandelt im Job stets auf einem schmalen Grat, setzt sich über Dienstvorschriften hinweg, pfeift auf Sympathiepunkte bei den Kollegen und fesselt die ungeliebte Kieler Lokalgröße Walter Scharndorf (Douglas Welbat, Finale am Rothenbaum) nackt auf dem Dach eines Bordells. Ein ziemlicher Kotzbrocken auf der, aber auch ein liebevoller Vater, der seine Tochter kurzerhand bei einem ehemaligen Weggefährten einquartiert und sich am Telefon mit seiner Ex-Frau herumschlagen muss, auf der anderen Seite.
Zugleich schlägt dieses Vater-Tochter-Konstrukt die Brücke zum eigentlichen Mordfall, in dessen Mittelpunkt der zurückgekehrte Seemann Lars Betz (Henning Peker, Herzversagen) nicht nur um den gemeinsamen Sohn mit Ex-Frau Elke Betz (Gunda Ebert, Todesangst) kämpft, sondern zugleich seine Festanstellung zu verlieren droht. Regisseur Thomas Freundner (Tote Erde) gelingt es damit, beim Zuschauer gezielt Sympathien für den verzweifelten Heimkehrer, der sich mit einer waghalsigen Flucht vor der Polizei schwer in die Bredouille bringt, zu wecken.
Die Auflösung ist dadurch leider ziemlich vorhersehbar, was hier aber nicht allzu schwer ins Gewicht fällt: Väter ist ein typischer Erstling, in der Borowski als Kommissar ausführlich vorgestellt und zudem das Verhältnis zu seiner Psychologin Jung ausgelotet wird. Das macht Lust auf mehr – geht aber naturgemäß auf Kosten der Spannung.
Schreibe einen Kommentar