Bild: WDR/Michael Böhme

Der Frauenflüsterer

Folge 594

3. April 2005

Sender: WDR

Regie: Kaspar Heidelbach

Drehbuch: Stefan Cantz, Jan Hinter

So war der Tatort:

Ungezügelt.

Und das trifft in diesem Tatort nicht nur auf die vielen temperamentvollen Pferde zu, auf deren Rücken bekanntlich das Glück der Erde zu finden ist. In der Krimikomödie aus Münster sucht man es dort aber vergeblich, denn ihr siebter Einsatz führt Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) auf einen Reiterhof, der zum Schauplatz leidenschaftlicher Triebe und gekränkter Eitelkeiten wird, die schwer im Zaum zu halten sind.

Ausgangspunkt für ein Festival der Frivolitäten ist der Tod von Gastronom Dietrich Röttger, der in Münsters Altstadt aus dem Fenster seiner Wohnung stürzt. Vorsätzliche Tötung oder Suizid? Röttgers auf Rache sinnende Frau Doris (Anna Loos, von 1997 bis 2000 als Assistentin Lissy Pütz im Tatort aus Köln zu sehen und seit 2004 mit Jan Josef Liefers verheiratet) hat dazu eine klare Meinung: Sie macht ihren Reitlehrer, den smarten Markus Hoffschulte (Kai Wiesinger, Der Herr des Waldes), für den Tod ihres Gatten verantwortlich. Der Frauenflüsterer Hoffschulte hatte sich beim Opfer Geld geliehen, sich mit dessen Frau vergnügt und ihm darüber hinaus noch ein pikantes Geheimnis offenbart.

Das Geschehen verlagert sich in der Folge auf Hoffschultes Reiterhof, wo sich der Chef dem weiblichen Geschlecht ebenso aufopferungsvoll widmet wie sein Pendant Tom Booker (Robert Redford) im Hollywood-Vorbild Der Pferdeflüsterer den traumatisierten Pferden. Die vielen amourösen Arrangements, etwa mit der Veterinärin Dr. Birte Peters (Teresa Harder, Die Musik stirbt zuletzt), färben unübersehbar auf den gut betuchten Bildungsbürger Boerne ab, dessen lyrische Ergüsse sich diesmal auf ein obszönes Spottgedicht à la Es steht ein Wirtshaus an der Lahn beschränken. Auch bei der Erläuterung des Namens von Deckhengst Rasputin zitiert er keine Oper, sondern allgemein gefällige Popmusik von Boney M.:


BOERNE:
Ra-Ra-Rasputin, lover of the Russian Queen. Ja, der wegen seines unstillbaren sexuellen Appetits berüchtigte russische Wunderheiler.

Im Tatort aus Westfalen geht es bekanntlich humorig zu, doch die Drehbuchautoren Stefan Cantz und Jan Hinter, die seit dem Erstling Der dunkle Fleck als Erfinder der Fälle mit Thiel und Boerne gelten, meinen es bei der Gagdichte diesmal zu gut. Hin und wieder gehen mit ihnen buchstäblich die Gäule durch; sie vergaloppieren sich im Metapher-Dschungel, wo jede noch so flache Zote zünden soll. Das ist zu Beginn noch unterhaltsam, erschöpft sich aber mit der Zeit immer mehr und beansprucht Raum, der anderswo fehlt.

Die Filmemacher um Regisseur Kaspar Heidelbach (Der Fluch der Mumie) verschenken damit nicht nur Niveau, sondern auch das Potenzial der Geschichte: Aus dem augenscheinlich seichten Stoff hätte eine gesellschaftlich relevante Satire werden können, die die 2005 noch in vielen Köpfen zementierten Rollenbilder von Männern und Frauen aufbricht und hinterfragt. Das passiert aber nur in Ansätzen, konsequent zu Ende geführt wird es in Der Frauenflüsterer nicht. 

Bestes Beispiel hierfür ist Boernes aufmüpfige Nichte Betty (Nora von Waldstätten, Herz aus Eis), die nicht nur ihrem Onkel, sondern auch Assistentin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) den letzten Nerv raubt. Die pferdebegeisterte Teenie-Göre lässt sich von ihrem überforderten Onkel zwar nichts sagen und wird auf der Suche nach einem Ferienjob – der Zufall im Drehbuch will das so – zum Missfallen Boernes ausgerechnet auf Hoffschultes Hof fündig, muss am Ende aber doch Abbitte leisten und sogar den Porsche ihres Interimserziehungsberechtigten waschen.

Auch der Auftritt von Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Grossmann) wirkt, trotz einer für ihre Verhältnisse erfrischend ulkigen Szene, in der sie vor Thiel die schadenfreudige Feministin unterstreicht, seltsam bemüht. Assistentin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) darf ein paar Machosprüche mit bösen Blicken kommentieren, wird darüber hinaus aber kaum gefordert. Schade.

Davon abgesehen trabt auch die übrige Handlung der 594. Tatort-Folge lange gemütlich vor sich hin, ehe ein überraschender Knalleffekt plötzlich Seriosität und Drive in das mit launiger Country-Musik unterlegte Treiben bringt. Die mal mehr, mal weniger subtile Wild-West-Atmosphäre gipfelt dann aber in einer ausufernden Kneipenschlägerei, die der gehörnte Ewald Ottensen (Christian Kahrmann, Das Phantom) zu den Klängen von Nino de Angelos Jenseits von Eden anzettelt und die an die kultigen Bud-Spencer-Filme erinnert, so dass sich das mit der Ernsthaftigkeit schnell wieder erledigt.

Apropos Drive: Auch Herbert „Vaddern“ Thiel (Claus Dieter Clausnitzer) will im Münster-Tatort ja irgendwie in die Handlung eingebettet sein. Er unterstützt seinen Sohn, der seinen Lappen einst wegen Alkohol am Steuer abgeben musste, beim Lernen für die Führerscheinprüfung, ist dabei (überraschenderweise) aber keine große Hilfe. Taxis haben bei ihm immer Vorfahrt. Auch dieser Handlungsstrang wirkt – pars pro toto – reichlich konstruiert. Er kommt dafür immerhin ohne potente Reitlehrer, Schäferstündchen im Heu oder entmannte Hengste aus.  

Bewertung: 4/10


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