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Der Kormorankrieg

Folge: 686 | 6. Januar 2008 | SWR | Regie: Jürgen Bretzinger

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So war der Tatort:

Umwelt(un)freundlich.

Wie in vielen anderen Konstanz-Folgen spielt der Bodensee eine große Rolle: Das größte deutsche Binnengewässer ist Handlungsmotiv gleich mehrerer Bevölkerungsgruppen. Gut, dass gerade Wahlkampf ist. Die Konflikte sind am Kochen und der Titel der 686. Tatort-Ausgabe ist Programm: Im Kormorankrieg bekämpfen sich die alteingesessenen Fischer um Erwin Gasser (Bernd Tauber, Scherbenhaufen) und die Naturschützer.

Trotz des Fokus, den die Drehbuchautoren Matthias Dinter und Xao Seffcheque (Die dunkle Seite) auf den See legen, ist das bevorzugte Mittel der Wahl im Kampf um die Vogelart des Jahres 2010 das Feuer. Das Schilf brennt. Fischerboote werden angezündet. In der Glut des Ofens, mit der die Fellchen (bevorzugte Fischart der Familie Gasser) geräuchert werden, entstehen Brandwunden. Es wird auch viel geraucht.

Im Hintergrund spielen lang schwelende Konflikte und undurchsichtige Polit-Verbindungen die entscheidende Rolle. Die Aktivisten vom NB (Naturschutz Bodensee) um Konrad Ketteler (Christian Koerner, Im gelobten Land), die ihr Lager mitten im Schilf aufgeschlagen haben, sind der militante Arm der BfU (Bürger für Umwelt), für die der Umweltreferent der Stadt Konstanz, Günter Balried (Stephan Schad, Herrenabend), in den Landtag einziehen will.

Balried und Ketteler stehen sich gegenüber wie Feuer und Wasser: In dieser Konstellation – hemdsärmeliger Handlanger, Politprofi in Anzug und Krawatte – agieren die beiden knapp eineinhalb Jahre später auch in der Stuttgart-Folge Das Mädchen Galina.
Das führt zu einer der unverbrauchtesten Morddrohungen der Tatort-Geschichte…


KETTELER:
Geh mal hübsch deine Wahlparty feiern. Es wird nämlich deine letzte, garantiert!

… und doch ist es Ketteler, den man am nächsten Morgen tot aus dem See zieht.

Auch die Hauptkommissare Klara Blum (Eva Mattes) und Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) werden von Regisseur Jürgen Bretzinger, der bereits Perlmanns ersten Fall Bitteres Brot inszenierte, in all ihrer Gegensätzlichkeit gezeigt: Während Perlmann so wenig in Konstanz verwurzelt ist, dass ihn niemand erkennt und er inkognito als schwäbischer Tourist durchgeht, kennt Blum die ganze Stadt. Sie grüßt die Fischerleute als alte Bekannte und die Wahlhelfer persönlich, als sie in die Wahlkabine geht.

Wie im ersten Blum-Tatort Schlaraffenland sieht man die Ermittlerin in ihrer Küche Rotwein trinken, während eine Zeugin bei ihr im Gästebett übernachtet. Perlmann hingegen stolpert in besonders schrill leuchtend weißen Nadelstreifen wenig hilfreich durchs Geschehen. Selbst im Schilf achtet er stets auf seine Schuhe, von denen er zwei Reservepaare im Revier aufbewahrt. Außerdem erfahren wir, dass ihn sein Vater immer zum Angeln mitgenommen hat, als er noch klein war.

Neben diesen verschmitzten Details und vielen kleinen augenzwinkernden Bonmots (Zeugin: „Irgendwoher kenne ich dich!“, Perlmann: „Das passiert mir öfter.“) ist besonders die musikalische Gestaltung von Markus Lonardoni (Schmuggler) bemerkenswert: Mit Akustikgitarre und Elektroanklängen weicht sie von der sonst üblichen Tatort-Instrumentierung ab und sorgt für eine hörenswerte Untermalung der atemberaubenden Naturaufnahmen. Die kommen nicht von ungefähr: Kameramann Georg Steinweh hat mit dem Thema durch Der Fischerkrieg am Bodensee nach einem Drehbuch von Tatort-Stuttgart-Veteran Felix Huby bereits Erfahrung gesammelt.

Möglicherweise ist es dieser Tatort, der die Kulisse Bodensee am eindrucksvollsten ausschöpft. Das Schilf erhält sogar eine eigene Verfolgungsszene. Die Leiche geht einem Fischer ins Netz. Man lernt viel über das Funktionieren des Ökosystems, über Berufsfischerei und über Boote. Auch Konstanz spielt eine große Rolle: Es wird Dialekt gesprochen, die Nachbarn kennen sich.

Der liebevollen Figurenzeichnung des Hauptpersonals – Blum, Perlmann und vor allem der See – steht leider eine klischeehafte Handlung mit vorhersehbaren Motiven der handelnden Personen und eine spannungsfreie Auflösung entgegen. Auch der Mörder sticht daraus nicht durch eine interessante Charakterisierung hervor.

Bewertung: 6/10

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