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Mit ruhiger Hand

Folge: 739 | 23. August 2009 | Sender: WDR | Regie: Maris Pfeiffer

Bild: WDR/Uwe Stratmann
So war der Tatort:
Alkoholisch.
Denn in diesem Tatort unter routinierter Regie von Maris Pfeiffer (Brandmal) schauen gleich drei Beteiligte regelmäßig (zu) tief ins Glas – und das bleibt nicht ohne Folgen.
Da ist zum einen Professor Julius Gann (Roeland Wiesnekker, ab 2015 im Frankfurter Tatort als Kommissariatsleiter Henning Riefenstahl zu sehen): Einleitend wird der Chefarzt einer Kölner Klinik, die er zusammen mit seinem Geschäftspartner Thomas Bernstein (Bernhard Schütz, Verdammt) auch besitzt, mit einer schweren Stichverletzung in seine eigene Notaufnahme eingeliefert. Ein unbekannter Täter ist in seine Villa eingebrochen, hat seine Frau erstochen und den angesehen Chirurgen ebenfalls lebensbedrohlich verletzt.
Dann ist da sein rebellischer Sohn Jonas (Vincent Redetzki), den seine ermordete Mutter zu Lebzeiten in ein Schweizer Internat gesteckt hat und den die Kripo bei der Besichtigung des Tatorts ahnungslos in seinem Zimmer im Obergeschoss vorfindet: Jonas hatte sich am Vorabend die Kante gegeben, war sternhagelvoll ins Bett gefallen und hatte beim Ausschlafen seines Rausches von der blutigen Tat im Erdgeschoss angeblich nichts mitbekommen.
Und da ist – last but not least – der Kölner Hauptkommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt), der noch vor dem Eintreffen in der Villa mit einem schweren Kater in seinem Auto aufwacht – und sich damit den Unmut eines argwöhnischen Streifenpolizisten zuzieht, der sich prompt eine harsche Abfuhr bei ihm abholt. Ballauf wiederum muss sich fortan nicht nur vor Assistentin Franziska Lüttgenjohann (Tessa Mittelstaedt) und dem ungeduldigen Staatsanwalt von Prinz (Christian Tasche), sondern auch vor seinem Kollegen Freddy Schenk (Dietmar Bär) erklären.

SCHENK:
Sag mal, schaffst du’s auch mal einen Tag wieder ohne Kopfschmerztabletten?

BALLAUF:

Sag mal, frag ich dich, wie viele Currywürstchen du am Tag isst?


Es ist typisch für den Kölner Tatort und für die Krimireihe im Allgemeinen, dass das Kernthema einer Folge – hier: die Alkoholsucht und ihre Ursachen – in den Erfahrungen eines Ermittlers gespiegelt wird. Für den Zuschauer wird die Sache damit greifbarer. Doch krankt Mit ruhiger Hand von Beginn an daran, dass Drehbuchautor Jürgen Werner (Verdammt), der zum zweiten Mal ein Skript für die Reihe beisteuert und es in den Jahren danach noch viele weitere Male tut, die Prioritäten falsch gewichtet.
Denn während die Gründe für die in einem Operationssaal mit eklatanten Folgen verbundene Alkoholabhängigkeit von Professor Gann und seinem Sohn Jonas nur oberflächlich hinterfragt werden, ist dies bei Ballauf ganz anders: Der dünnhäutige Junggeselle, der sich nach Dienstschluss gern mal ein Feierabendbierchen gönnt, muss sich nicht nur pausenlos rechtfertigen, sondern auch in Behandlung bei Psychologin Lydia Rosenberg (Juliane Köhler, Keine Polizei) begeben, der er in diesem Tatort erstmalig begegnet und bei der er (noch) vergeblich zu landen versucht.
So mangelt es der Geschichte unterm Strich an der Tiefe und den wichtigsten Tatverdächtigen an dem Profil, das für ein wirklich mitreißendes Krimidrama nötig gewesen wäre – auch die belastende Drucksituation, der sich Professor Gann als Hauptverantwortlicher für Leben und Tod in der Klinik Tag für Tag aussetzt, wird praktisch mit einem Satz abgespeist. Generell wird mit Blick auf die Figuren sehr schwarz-weiß gezeichnet, so dass unsere Sympathien eindeutig verteilt sind.
Während sich der engagierte Oberarzt Dr. Wolf (Fabian Hinrichs, ab 2015 als Hauptkommissar Felix Voss im Franken-Tatort zu sehen) privat um mittellose Patienten kümmert und seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt, ist OP-Schwester Sylvia Keller (Maria Simon, letzter Tatort-Auftritt vor ihrem Wechsel zum Polizeiruf 110) die gute Seele der Klinik und immer da, wenn sie gebraucht wird. Professor Gann hingegen tritt sowohl in den Gesprächen mit seinem Sohn als auch in der Klinik unglaublich herrisch und arrogant auf – ein selbstgefälliges Arschloch, wie es im Buche steht („Ich rette jeden Tag Menschenleben. Glauben Sie im Ernst, ich wüssten den Namen meiner Putzfrau?“).
Grautöne finden sich wenige, aber immerhin: Mit Blick auf die Täterfrage wirkt zwar der Handlungsschlenker um die ausgefallene Tatwaffe überkonstruiert, doch vermag die richtige Auflösung der 739. Tatort-Folge auch dank zweier falscher Fährten zu überraschen. Selbst erfahrene Zuschauer bekommen mit der klassischen Whodunit-Konstruktion eine harte Nuss serviert. Und während sich Ballauf in diesem Tatort die Zähne an Rosenberg ausbeißt, kann er schon wenige Monate später Erfolg vermelden – denn in Altes Eisen teilen sich die beiden das Bett und ein gemeinsames Frühstück.

Bewertung: 5/10


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