Folge: 786 | 2. Januar 2011 | Sender: SWR | Regie: Michael Schneider
Bild: SWR/Andrea Enderlein |
So war der Tatort:
Fortschrittlich.
Als richtiger Laborfuchs entpuppt sich der langjährige Ludwigshafener Kriminaltechniker Peter Becker (Peter Espeloer), der Hauptkommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und ihrem Kollegen und Mitbewohner Mario Kopper (Andreas Hoppe) seit vielen Jahren treue, wenn auch bisweilen recht mürrische Dienste leistet und dem Täter in Tödliche Ermittlungen mit brandneuen Labortechniken aus London das Handwerk legt.
Leider ist das hochmoderne Analyseverfahren, dass sich Becker angeblich selbst beigebracht hat, aber auch schon das Erfrischendste am 43. gemeinsamen Einsatz von Odenthal und Kopper, die im ersten Tatort des Jahres 2011 einmal mehr unter Beweis stellen, dass sie ihre besten Tage langsam aber sicher hinter sich haben. Lange her sind die Zeiten, in denen sich der Humor in Ludwigshafen aus amüsanten Neckereien und kleineren Zwists ergab und es noch keiner sturen Politessenblondine bedurfte, um den italienischen Kommissar auf die Palme und müde Gags im Plot unterzubringen.
Drehbuchautor Andreas Schlüter (Todesschütze) verrichtet nur Dienst nach Vorschrift und konstruiert einen vor Klischees nur so triefenden, komplett überraschungsfreien Mordfall, der auf direktem Weg in eine Hahner Polizeischule führt, in der das Opfer zuvor selbst ausgebildet wurde. Und bei dem schnell klar ist, dass es sich beim Täter entweder um Odenthals ehemaligen Dozenten, den jetzigen Schulleiter Robert Brandstetter (Christian Redl, Waidmanns Heil), oder einen der drei näher beleuchteten, aber keineswegs ausführlich skizzierten Polizeischüler – Brandstetters Sohn Torben (Matthias Ziesing, Bluthochzeit), Sabine Erler (Britta Hammelstein, Happy Birthday, Sarah) oder Heiner Struck (Adrian Topol, Das schwarze Grab) – handeln muss.
Bilderbuch-Fitnesstrainer Malte Boller (Ralph Herforth, Tödliches Verlangen) und Hobbyboxer Hasan Kiser (Fahri Yardim, feiert 2013 in Willkommen in Hamburg sein Debüt als Hamburger Tatort-Kommissar) scheiden früh als ernstzunehmende Verdächtige aus – dafür sind sie einfach viel zu kleinkriminell, und das ist in der öffentlich-rechtlichen Krimireihe ein hervorragendes Indiz für die Unschuld in Sachen Mord.
Hooligans tragen in Ludwigshafen nicht etwa schwarz, sondern blau-weiße Schals zum obligatorischen Baseballschläger und demolieren in der Stadt am Rhein mal eben ein halbes Stadtviertel, bevor sich zwei Dutzend Bereitschaftspolizisten nach getaner Arbeit mit Odenthal in ein Straßencafe hocken und die Krawallmacher im Hintergrund fröhlich plaudernd auf ihre Abholung warten.
Kaffeetassenkino gibt es in Ludwigshafen auch wieder zu bestaunen: Einfach mal in Minute 71 und 72 drauf achten, wie akribisch Adrian Topol seine von der Requisite gar nicht erst gefüllte, aber offenbar schon wieder leergetrunkene Tasse nachfüllt, um danach noch einmal einen großen Schluck des unsichtbaren Kaffees hinunterzustürzen. Angesichts solcher Mängel nimmt man die hanebüchene Funkzellenauswertung von Assistentin Edith Keller (Annalena Schmidt), die fix ein Wabenmuster über einen Stadtplan legt und daraus messerscharf Routen schlussfolgert, schon fast beiläufig zur Kenntnis.
Wahrlich kein gelungenes Debüt für den langjährigen TV-Krimi-Regisseur Michael Schneider, dessen erster Tatort Tödliche Ermittlungen bis heute sein letzter geblieben ist – was aber wohl eher dem schwachen Drehbuch als seiner soliden Inszenierung geschuldet ist.
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