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Ausgelöscht

Folge: 802 | 29. Mai 2011 | Sender: ORF | Regie: Harald Sicheritz

Bild: rbb/ORF/Ingo Pertramer

So war der Tatort:

Enthaltsam.

Der 50-jährige Wiener Chefinspektor Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) muss nämlich gleich zu Beginn eine niederschmetternde Diagnose seiner Ärztin verkraften: Den Körper eines 30-Jährigen habe er – vorausgesetzt, er habe sich seit seinem 15. Lebensjahr nur noch von Junk Food ernährt. Keine Zigaretten und kein Alkohol mehr, fettreduziertes Essen, dazu noch regelmäßiger Sport – sonst sähe es für den Schokoladenfreund und Raucher schlecht aus mit dem 60. Geburtstag.

Da trifft es Eisner gleich doppelt hart, dass ausgerechnet die neue Kollegin und Trinkerin Bibi Fellner (Adele Neuhauser), die ihn nach ihrer Tatort-Premiere in Vergeltung zum zweiten Mal bei den Ermittlungen unterstützt, weiterhin nach Lust und Laune über die Stränge schlägt und zu allem Überfluss auch noch Eisners Tochter Claudia (Tanja Raunig) samt Liebhaber Leander Fröhlich (David Miesmer) in ihrer Wohnung einquartiert.

Statt pünktlich am Fundort einer Leiche, die man nackt in einen Einkaufswagen gepfercht hat, zu erscheinen, gröhlt Fellner lieber auf einer feuchtfröhlichen Party ihres aus der Haft entlassenen Zuhälterfreunds Inkasso-Heinzi (Simon Schwarz, von nun an dauerhaft in dieser Rolle dabei) schräge Karaokesongs und muss von ihrem stinksauren Kollegen höchstpersönlich dem Partytrubel entrissen werden. Eine grandiose Szene – vielleicht eine der besten in der Wiener Tatort-Geschichte.


EISNER:
Wir haben einen Toten, wahrscheinlich organisiertes Verbrechen – und du? Du singst für irgendeinen Zuhälter Ständchen in einem schlecht getarnten Puff!

Drehbuchautor Uli Brée setzt bei der Figurenzeichnung konsequent fort, was er in Vergeltung bereits begonnen hat: Neuhauser verkörpert mit Fellner eine sorglose, aber grundsympathsiche Draufgängerin mit zwielichtigen Szenefreunden und einem Alkoholproblem, die vom keineswegs lasterfreien, aber zumindest halbwegs vernünftigen Eisner an die Kette gelegt werden muss.

Das sorgt vor allem in der ersten Hälfte des Krimis für beste Unterhaltung und weckt Erinnerungen an das vom Hessischen Rundfunk ähnlich angelegte Frankfurter Tatort-Duo Steier und Mey – nur, dass in Mainhattan eben nicht der weibliche, sondern der männliche Ermittler zur Flasche greift.

Anders als in Vergeltung, der trotz einiger spaßiger Szenen mit einem hanebüchenen Drehbuch und schwacher Charakterzeichnung enttäuschte, weiß in Ausgelöscht auch die Rahmenhandlung im Milieu des organisierten Verbrechens zu begeistern. Leider nimmt Brée dem finalen Twist, der sich so gar nicht mit der traditionellen Tatort-Dramaturgie vereinbaren lassen will, einen gehörigen Teil seiner Durchschlagskraft, weil aufmerksame Zuschauer das falsche Spiel der bulgarischen Kollegin Donka Galabova (Dessi Urumova) früh erahnen können.

Dennoch bleibt der von Harald Sicheritz (Baum der Erlösung) inszenierte 802. Tatort eine ganz starke Wiener Episode, die den verkorksten Auftakt des vielversprechenden neuen Ermittlerduos aus Österreich schnell vergessen macht und den Grundstein für viele weitere tolle Fälle mit Moritz Eisner und Bibi Fellner legt.

Bewertung: 8/10


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