Folge: 813 | 9. Oktober 2011 | Sender: SWR | Regie: Nicolai Rohde
Bild: SWR/Stephanie Schweigert |
So war der Tatort:
Kurzlebig – und das nicht nur im Hinblick auf die Mordopfer.
Denn in Das erste Opfer ist auch die anfängliche Hochspannung nur von kurzer Dauer: Einleitend verblutet Bauunternehmer Detlef Börner (Thomas Huber, Mord ist die beste Medizin), nachdem sein schmuckloser Bürocontainer im Rahmen einer atemberaubenden Eröffnungssequenz von einem Radlader zertrümmert wird. Restaurantbesitzerin Sigrun Karrenbrock (Constanze Weinig, Château Mort) ergeht es später kaum besser: Sie wird überfallen, gefesselt und von einem Auto überfahren.
Was zunächst nach zwei voneinander unabhängigen Todesfällen aussieht, entpuppt sich bald als Rachefeldzug eines einzelnen Mörders, dem krimierprobte Zuschauer allerdings schnell auf die Schliche kommen dürften: Die Stuttgarter Staatsanwältin Emilia Álvarez (Carolina Vera) bittet die Hauptkommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) zwar darum, die beiden Fälle getrennt voneinander zu bearbeiten, doch gefühlte drei Minuten später ist dieser Auftrag schon wieder hinfällig, weil die Ermittler den entscheidenden Hinweis zur Verbindung der Toten finden.
Wer sich nur für die Auflösung des Krimis interessiert, dürfte angesichts der früh vorhersehbaren Schlusswendung eine Enttäuschung erleben – eine weitere Schwäche sind die mitunter ziemlich hölzernen Vernehmungen, die vor allem in der ersten Filmhälfte wie am Reißbrett entworfen wirken und auch den angestrebten Dialogwitz vermissen lassen. Exemplarisch dafür sei die Befragung des tatverdächtigen Heiner Horsch (Peter Kremer, Roomservice) genannt:
HORSCH:
Mordkommission! Hab‘ ich jemanden umgebracht?
LANNERT:Schauen wir mal, Herr Horsch.
Dennoch lohnt sich das Einschalten, weil der neunte Fall des Teams aus dem „Ländle“ andere originelle Einfälle bietet: Besonders die spektakulären Mordmethoden und die rätselhaften Hinweise, die der Mörder seinen späteren Opfern schickt, heben sich angenehm von dem ab, was der Zuschauer sonst in sonntäglichen Durchschnittskrimis serviert bekommt.
Der ausführlich illustrierte Handlungsstrang um die zunehmend zerrütteten Familienverhältnisse von Rechtsanwalt Michael Joswig (Hans Werner Meyer, Blutschrift), Ehefrau Nadine (Julika Jenkins, Fünf Minuten Himmel) und Töchterchen Hanna (Nina Gummich, Heimwärts) bringen Emotionen in die Geschichte, während das Privatleben der Ermittler diesmal wenig Aufregendes bietet: Lannert befreit seinen Porsche jeden Morgen von Unrat, den ihm offenbar ein argwöhnischer Nachbar (Heinrich Giskes, Tod auf dem Rhein) auf die Windschutzscheibe schüttet, der überforderte Bootz hingegen kümmert sich daheim um die Kinder, weil seine Frau verreist ist.
Der gestresste Vater kommt zu spät zur Arbeit und bespricht den Fall schon mal beim gemeinsamen Wäschefalten mit Lannert – eine köstlich überzeichnete Szene. Ähnliche Haushaltshilfe von Lannert kennen wir aus späteren Folgen (vgl. Eine Frage des Gewissens), in denen der dann getrennt von seiner Ex-Frau lebende Bootz seinen Alltag nur mit Hilfe seines Kollegen meistert.
Besonders positiv fällt in Das erste Opfer jedoch Nika Banovic (Miranda Leonhardt) auf: Während die Kriminaltechnikerin in den meisten Stuttgarter Tatort-Folgen eher ein Schattendasein fristet, gestehen ihr die Drehbuchautoren Stephan Brüggenthies (Das Mädchen Galina), Leo P. Ard (Todesspiel) und Birgit Grosz (Schmuggler) auffallend viel Kamerapräsenz zu, bei der Banovic mehrere Gemütszustände authentisch durchlebt. Die naive Flirterei mit dem computeraffinen Rico (Johannes Allmayer, Der hundertste Affe) ist zwar nicht hundertprozentig glaubwürdig, aber sympathisch.
Kleinere Drehbuchschwächen und inhaltliche Fehler sind da zu verschmerzen: Warum die Polizei beispielsweise in der Villa des hinterrücks auf seiner Couch betäubten Joswig Kampfspuren findet, bleibt das Geheimnis der Filmemacher.
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