Kerstin Stelter

Der traurige König

Folge: 829 | 26. Februar 2012 | Sender: BR | Regie: Thomas Stiller

Bild: BR/Kerstin Stelter

So war der Tatort:

Schlaflos.

Ein traumatisches Erlebnis bringt Hauptkommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) in Der traurige König nämlich um die wohlverdiente Nachtruhe: Bei einem gemeinsamen Einsatz mit seinem langjährigen Kollegen Ivo Batic (Miroslav Nemec) und der jungen Polizistin Julia Winter (Sylta Fee Wegmann), die zu Ausbildungszwecken an die Seite der erfahrenen Münchener Ermittler abkommandiert wird, streckt Leitmayr in Notwehr Siggi Aumeister (Lasse Myhr, Trautes Heim) nieder, der ihn zu erschießen droht.

Dumm nur, dass es sich bei Aumeisters Waffe um eine Attrappe handelt, Batic und Winter nicht bezeugen können, dass Aumeister auf Leitmayr gezielt hat und dieser zuvor zwei Schmerztabletten gegen seine höllischen Zahnschmerzen eingeschmissen hatte. Kaum auf dem Polizeirevier angekommen, hat der Kommissar die interne Ermittlung am Hals.

Der argwöhnische Maus (herrlich fies: Torsten Michaelis, auch bekannt als Kriminaldirektor Bitomsky aus verschiedenen Tatort-Folgen mit Charlotte Lindholm) zeigt wenig Verständnis für die lebensgefährlichen Schüsse – und macht den Münchner Kommissar im 829. Tatort mit seinen bohrenden Fragen, Nachforschungen und unangekündigten Schreibtisch-Durchsuchungen zu einem seelischen Wrack, das trotz seines reinen Gewissens in die Defensive gedrängt wird.

Die Ermittlungen gegen Leitmayr dominieren vor allem den Mittelteil des Drehbuchs von Jobst Oetzmann (1000 Tode) und Magnus Vattrodt (Herrenabend), die aber erfreulicherweise nicht den Fehler machen, die Rahmenhandlung um die Leiche in einem brennenden Auto, die das Ermittler-Trio einleitend auf den Plan ruft, dabei zu sehr zu vernachlässigen.

Der traurige König funktioniert daher auch als Krimi im klassischen Sinne: Oetzmann und Vattrodt verstehen es glänzend, die Ermittlungen gegen den labilen Leitmayr, die den Zuschauer noch stärker fesseln als die Täterfrage, mit der Suche nach dem Mörder in Einklang zu bringen.

In einer der besten Szenen des Films platzt der interne Ermittler unangekündigt in ein laufendes Verhör und kommandiert Leitmayr unter Verweis auf die Anwesenheit des Polizeipräsidenten gnadenlos zur Vernehmung ab. Bei jener schwächelt die ansonsten sehr überzeugende Inszenierung von Thomas Stiller (Die Blume des Bösen) allerdings ein wenig: Auch ohne Halluzinationen hätte man Leitmayr die innere Anspannung, die mit Schweißausbrüchen und verschüttetem Kaffee etwas überdeutlich zutage tritt, abgekauft.

Wachtveitl zeigt hier eine starke schauspielerische Leistung, eine seiner besten in seiner langen Tatort-Geschichte, wenngleich die Geschichte für seinen Kommissar am Ende nicht ganz so persönlich gerät wie die herausragende Münchner Folge Im freien Fall.

Dennoch bestätigt Der traurige König – man vergleiche den Krimi mit dem Odenthal-Fall Der Wald steht schwarz und schweiget oder der Lürsen-Folge Ordnung im Lot, die ebenfalls in der ersten Jahreshälfte 2012 ausgestrahlt wurden, den Trend: Mit Blick auf die dienstältesten Ermittler sind es in aller Regel die Münchner, die das Einschalten mit Spannung und intelligenten Drehbüchern belohnen.

Bewertung: 8/10


Kommentare

2 Antworten zu „Der traurige König“

  1. Noch etwas (tut mir leid, irgendwie krieg ich es nie beim ersten Versuch hin): Welche Absicht hätte "der Siggi" denn bitte sonst haben sollen, als er mit einer Attrappe auf einen Polizisten losgerannt ist? Na ja, außer der halt, die man ihm erst ganz am Ende des Films unterstellt? In diese Richtung hätte man ja auch mal früher ermitteln können. Sind denn irgendwie alle dumm? Und wo ist das ein Krimi?

  2. Ich hab den heute gesehen, aber ich fand den nicht so toll. Mir erschien das irgendwie nicht schlüssig, nicht glaubwürdig. Mir erscheint der ganze Druck gegen Leitmayr doch etwas konstruiert. Wenn er die Interne Ermittlung am Hals hat, wieso geben Batic und er sich dann nicht gegenseitig ihre Berichte zum Korrekturlesen? Wieso geht Leitmayr nicht wenigstens pro forma zur Psychologin? Die Frage nach den Schlaftabletten hätte er ihr immerhin früher stellen können. Wieso müssen eigentlich immer so verschrobene Dummbrote am Start sein wie diese Aumeisters oder diese Rapps aus "Nie wieder frei sein"? Was soll der Unsinn, dass es erst heißt, der "Bu" sei verschwunden, und dann liegt er auf "A4"? Da will man doch die Fernbedienung gegen die Wand werfen bei so viel Inkompetenz! Also dann hätte ich eher 8 Punkte für "Borowski und das Meer" verteilt und hier nur 6.

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