Folge: 831 | 11. März 2012 | Sender: WDR | Regie: Manfred Stelzer
Bild: WDR/Martin Menke |
So war der Tatort:
Erst overdressed – dann underdressed.
Ziemlich merkwürdig schaut er in Hinkebein aus, der Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl): Erst pellt er sich zum Auftakt in einen 200 Euro teuren Anzug, um vor einer Abordnung russischer Kollegen eine feierliche Willkommensrede zu stottern und sich postwendend zum Gespött seines Vermieters und Nachbarn Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) zu machen – und später jagt er dann dem flüchtigen Hauptverdächtigen Heinz „Hinkebein“ Kock (Wolfram Koch, Ordnung im Lot) in Boxer-Shorts und St. Pauli-Shirt in einen stattlich gefüllten Kinosaal hinterher.
Den etwas zu groß geratenen Zwirn, dessen sich Thiel nach einer Viertelstunde zum Glück wieder entledigen darf, trägt der Ermittler aus Münster auch in der besten Szene des Krimis des 21. gemeinsamen Einsatzes mit seinem Kollegen Boerne: Man begegnet sich mal wieder im Hausflur, weil Boerne ( in ohrenbetäubender Lautstärke Richard Wagners Walküre aufdreht und Thiel kurzerhand die Sicherung rausknipst.
BOERNE: Ist das Ihre neue Dienstkleidung? Gab’s die auch in Ihrer Größe oder glauben Sie, Sie wachsen noch?
THIEL:
Und Sie? Verdienen Sie sich’n bisschen was dazu? Beim Chinesen?
Mit Hinkebein bietet der diesmal von Manfred Stelzer (Spargelzeit) inszenierte Quotenrenner dem erwartungsfrohen Publikum einmal mehr ein Dialogfeuerwerk erster Güte, denn auch Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Grossmann), die Kock bei einer illegalen Zigarettenpause unfreiwillig zur Flucht verhilft, zeigt sich in Top-Form („Keine Sorge, ich nehme das natürlich auf meine Kippe.“).
Wenngleich das eingespielte Autorengespann Stefan Cantz und Jan Hinter, das schon zahlreiche Drehbücher zu Münster-Folgen wie Der dunkle Fleck oder 3 x schwarzer Kater schrieb, Boerne in einigen Sequenzen noch stärker überzeichnet als gewohnt, sind es doch vor allem die Sequenzen mit dem Forensiker, die einmal mehr für die lautesten Lacher der Krimisatire sorgen.
Ein stilvoller Japan-Abend mit Sushi und Hausmusik, die amüsanten Frotzeleien mit Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch), vor allem aber die knauserigen Auseinandersetzungen mit Thiels „Vaddern“ Herbert (Claus Dieter Clausnitzer) um eine nicht bezahlte Taxirechnung – dem 831. Tatort mangelt es wahrlich nicht an amüsanten Einfällen.
Dass Boernes Begegnung mit seiner ehemaligen Geliebten Katja Braun (Tanja Schleiff, Mein Revier) erst so richtig witzig wird, als er auf dem Obduktionstisch an ihrer Leiche herumsägt und Thiels Magen damit an die Belastungsgrenze bringt, ist dabei ebenso leicht zu verschmerzen wie Nadeshda Krusensterns (Friederike Kempter) müde ausgearbeitete Affäre mit einem russischen Kollegen, die das ansonsten sehr originelle Drehbuch überhaupt nicht nötig hat.
Denn auch ohne diesen halbherzig in den Plot geflochtenen Einfall harmonieren Thiel und Boerne einmal mehr prächtig und bieten beste Unterhaltung – Hinkebein ist einer der letzten wirklich guten Fälle aus Münster, ehe es in den Jahren darauf fast kontinuierlich in den Keller geht.
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