Folge: 895 | 5. Januar 2014 | Sender: WDR | Regie: Dror Zahavi
Bild: WDR/Martin Valentin Menke |
So war der Tatort:
Für die Jugend verboten – und daher verbannt auf 22 Uhr und um ein halbes Jahr verschoben.
Ursprünglich sollte Franziska bereits im Juni 2013 zur gewohnten Sendezeit über die deutschen Mattscheiben flimmern – doch dann intervenierten die Sittenwächter der ARD und verweigerten dem 58. gemeinsamen Einsatz der Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) aus Jugendschutzgründen die Freigabe für die Prime Time.
Ein Tatort im Spätprogramm – das gab es zwar schon 1980 (Der gelbe Unterrock) und 1998 (Ein Hauch von Hollywood), doch ganz einleuchten will diese Maßnahme nicht: Franziska ist zwar hart, für Tatort-Verhältnisse sogar sehr hart, aber angesichts zurückliegender Folgen wie dem alptraumhaften Meilenstein Verschleppt oder der kaum minder brutalen Wiener Milieustudie Angezählt weit davon entfernt, den Bogen in Sachen Gewalt zu überspannen.
Der späte Sendetermin ist im Übrigen gleich doppelt ärgerlich: Wer als Frühaufsteher nach dem direkt davor ausgestrahlten Der Eskimo das wohlverdiente Bett aufsucht, hat den schlechteren Krimi gesehen und ausgerechnet den besten Kölner Tatort seit Jahren verpasst. Franziska ist nämlich ein fesselndes, nicht eine Sekunde langweiliges Kammerspiel, ein fiebriges Psychoduell auf engstem Raum, das Tessa Mittelstaedt bei ihrem letzten Auftritt als titelgebende Franziska Lüttgenjohann endlich Gelegenheit gibt, ihr schauspielerisches Potenzial in die Waagschale zu werfen und sich von ihrer eindimensionalen Rolle als männerverschleißende Überstundenrekordlerin zu emanzipieren.
Die treue Bürokraft und ehrenamtliche Bewährungshelferin, die in der Kölner JVA von Häftling Daniel Kehl (stark: Hinnerk Schönemann, Ausweglos) als Geisel genommen wird, trägt bei ihrem dramatischen Tatort-Abschied fast über die komplette Spielzeit einen scharfen Kabelbinder um den Hals, der einen SEK-Einsatz im Besucherraum der Haftanstalt ungemein riskant macht: Selbst wenn der Zugriff gelingt, tendieren die Überlebenschancen der Kriminalassistentin gen Null, sollte Kehl die Kehlenschlinge mit letzter Kraft zuziehen.
Nur einer von vielen cleveren Einfällen von Drehbuchautor Jürgen Werner (Eine andere Welt), die Regisseur Dror Zahavi (Auf ewig Dein) hochspannend in Szene setzt und den 895. Tatort so bis zum dramatischen Showdown zu einer buchstäblich fesselnden und extrem unterhaltsamen Angelegenheit macht. Dass Franziska dabei auch zum traditionellen Miträtseln geeignet ist, liegt an einer gekonnten Parallelkonstruktion: Während Ballauf („A wie Arschloch, L wie Lahmarsch…“) und Schenk in einem Wettlauf gegen die Zeit nach dem Mörder von Kehls Mithäftling Sergej Rowitsch (Dimitri Bilov, Spargelzeit) suchen, zieht sich die Schlinge um Franziskas Hals immer enger zu.
Erst bei der finalen Zusammenführung der beiden Handlungsstränge schwächelt der Film: Just in dem Moment nämlich, in dem Ballauf und Schenk das entscheidende Puzzleteil finden, nimmt auch die erbitterte Auseinandersetzung im Besucherraum eine zu diesem späten Zeitpunkt sehr konstruiert wirkende Wende.
Der dramatische Showdown, bei dem die Auflösung der omnipräsenten Frage „Stirbt sie oder stirbt sie nicht?“ endlich beantwortet wird, läuft fast komplett in Zeitlupe ab und wird in der letzten Szene durch schmalzige Worte auf dem Präsidium abgemildert. Hier wäre weniger mehr gewesen – doch auch so ist Franziska das Wachbleiben wert und ein würdiger Abschied für Tessa Mittelstaedt, die über dreizehn Jahre lang eine feste Größe in der Domstadt war.
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