Folge: 893 | 1. Januar 2014 | Sender: MDR | Regie: Claudia Hartmann
Bild: MDR/Andreas Wünschirs |
So war der Tatort:
Halbschwesterlich.
Fast zweieinhalb Jahre liegt der Leipziger Tatort Nasse Sachen mittlerweile zurück und gipfelte einst in einem bemerkenswerten Finale: Hauptkommissarin Eva Saalfeld (Simone Thomalla) brachte im Juni 2011 nicht irgendeinen Mörder hinter Schloss und Riegel, sondern ihren eigenen Vater Horst (Günter Junghans, Krumme Hunde).
Den trifft sie in Türkischer Honig nun im Besuchsraum der Haftanstalt wieder, doch damit nicht genug: Auch Saalfelds bis dato unbekannte Halbschwester Julia (Josefine Preuß, Die Unmöglichkeit, sich den Tod vorzustellen) meldet sich aus heiterem Himmel bei der Kommissarin und wird Sekunden später auf offener Straße entführt. Hoppla!
Weil sie aber schon kurze Zeit später wieder auftaucht – krimierfahrene Zuschauer ahnen früh, warum – bleibt noch reichlich Zeit für halbschwesterliche Kontroversen: Eva und Julia kennen sich zwar eigentlich gar nicht, streiten und schluchzen sich aber trotzdem durch den Film, werfen sich gegenseitig die Versäumnisse der letzten Jahre vor und bremsen den Kriminalfall um den ermordeten türkischen Kredithai Abdul Günes (Mohammad-Ali Behboudi, Wer das Schweigen bricht) damit immer wieder aus.
Einmal mehr offenbart sich dabei, dass facettenreiches Mienenspiel nicht unbedingt zu Simone Thomallas Stärken zählt: Die Gefängnisszene mit ihrem verhassten Vater ist enttäuschend, und in den zahlreichen Streitgesprächen spielt Josefine Preuß ihre ältere Schauspielkollegin ein ums andere Mal an die Wand. Spaß macht da schon eher Kollege Andreas Keppler (Martin Wuttke), der in markigen Wortgefechten mit dem türkischen Bilderbuch-Kleinkriminellen Ergol Günes (Denis Moschitto, Hochzeitsnacht) sein Revier markiert.
Was die Annäherung an die türkische Kultur angeht, liefert der 893. Tatort aber kaum mehr als Altbekanntes und müde Klischees: Aha, beim Türken gibt es Mokka, Tee und leckeres Gebäck, und während die erste Zuwandergeneration noch fest im Islam verwurzelt ist und täglich gen Mekka betet, brausen die ungläubigen Nachkommen mit Zuhälterkarre und offenem Verdeck zu orientalischen Klängen durch die Leipziger Innenstadt – ganz so, wie es ihnen Saalfeld und Keppler in einer furchtbar witzlosen Sequenz gleich tun.
Drehbuchautor Andreas Pflüger (Die fette Hoppe) hätte gut daran getan, nicht auch noch Kriminalassistent Wolfgang Menzel (Maxim Mehmet), der nach der fast freundschaftlichen Annäherung im letzten Leipziger Tatort Die Wahrheit stirbt zuerst plötzlich wieder auf Kriegsfuß mit Keppler steht, einen türkischen Vater anzudichten: Menzel bietet seinem Vorgesetzten orientalische Teigröllchen an wie Sauerbier und wird sogar zu radebrechendem Türkisch genötigt. Das ist Völkerverständigung mit der Brechstange und macht den ansonsten soliden und durchaus spannenden Fadenkreuzkrimi immer wieder zum Ärgernis.
Immerhin: Die Auflösung fällt knifflig aus, weil sich drei bis vier Verdächtige gleichermaßen stark als Täter aufdrängen und erst in den Schlussminuten Licht ins Dunkel kommt. Für einen guten Tatort ist es da längst zu spät: Türkischer Honig ist gerade im Vorgleich zur bärenstarken Vorwoche mit Die fette Hoppe und Borowski und der Engel ein enttäuschender Auftakt ins Tatort-Jahr 2014.
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