Folge: 942 | 6. April 2015 | Sender: NDR | Regie: Thomas Stiller
Bild: NDR/Christine Schroeder |
So war der Tatort:
Österlich.
Der ambitionierte Tatort Frohe Ostern, Falke ist nämlich nicht nur terminlich, sondern auch inhaltlich voll und ganz auf die Osterfeiertage zugeschnitten: Schon in der zweiten Szene amüsiert sich Bundespolizei-Ermittler Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) königlich darüber, wie sein bester Freund Jan Katz (Sebastian Schipper) mühsam Ostereier ausbläst. Später trifft er dann vorm Hamburger Alsterhaus seinen alten Bekannten Axel (Tim Grobe, Mein Revier), der für sieben Euro die Stunde im rosa Hasen-Outfit Flyer verteilen muss. Für Osterhasen gilt der Mindestlohn offenbar nicht.
Und dann sind da die fünf schwer bewaffneten Aktivisten, die in ihren finsteren Donnie Darko-Kostümen eine Charity-Gala für Flüchtlinge crashen und knapp achtzig Personen in ihre Gewalt bringen – darunter auch Falkes Kollegin Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller), die als einzige Geisel schnell ihr Handy in ihr Dekolleté plumpsen lässt, bevor die Gangster die Mobiltelefone einkassieren.
Ohne diesen flugs eingerichteten Abschnitt von der Außenwelt wäre die Geschichte, die Regisseur und Drehbuchautor Thomas Stiller (Macht und Ohnmacht) dem Zuschauer auftischt, auch gar nicht denkbar: Falke und der Rest der Welt sind zum Zuschauen am Live-Stream verdammt, weil niemand weiß, wo die Geiselnahme der Aktivisten stattfindet – mitten in Hamburg ein reichlich unwahrscheinliches Szenario. So sitzt der zum Beobachter degradierte Ermittler eine gefühlte Ewigkeit im Präsidium und kann lange Zeit nur reagieren, statt zu agieren – und auch sein Busenkumpel Katz wirkt in diesem Hamburger Tatort oft wie das fünfte Rad
am Wagen.
Kein einleitender Leichenfund, keine Spurensicherung, keine Verhöre: Thomas Stiller verzichtet auf das Whodunit-Prinzip und konstruiert einen actiongeladenen Tatort, der zumindest nicht so unfreiwillig komisch gerät wie die ähnlich gelagerte Bremer Folge Hochzeitsnacht. Und Petra Schmidt-Schaller kann sich in dem abgedunkelten Gebäude erstmalig ins Rampenlicht spielen: Kurz nach Bekanntgabe ihres Abschieds (Schmidt-Schallers Tatort-Nachfolgerin wird Franziska Weisz), steht ihre Kommissarin im Brennpunkt eines atmosphärisch dichten Thrillers, dessen Spannungsmomente die an den Haaren herbeigezogene Geschichte und die platten Charaktere aber nicht aufwiegen können.
Vor allem die fünf Aktivisten Frank (Thomas Sarbacher, Vermisst), Steffen (Lasse Myhr, Trautes Heim), Nico (Sascha Alexander
Gersak, Hydra), Joachim (Milton Welsh) und Rainer (Marek Harloff, Türkischer Honig) wirken nicht wie bedrohliche Geiselnehmer, sondern wie Karikaturen schießwütiger Westernfiguren: Da gibt es den skrupellosen, keinen Widerspruch duldenden Anführer, den aufmüpfigen Handlanger, der von ihm in die
Schranken gewiesen wird, und den abtrünnigen Schwächling, den Lorenz in
einer mehr als unglaubwürdigen Sequenz auf dem Herrenklo mit einer
Verständnis-Offensive zur Kollaboration überredet.
Und dann ist da noch der unsympathische Rechtsanwalt Sönke Sauer (Thomas Darchinger, Der traurige König), der den Schwanz einzieht und Lorenz permanent zurückpfeift: Der 942. Tatort liefert reichlich Klischees. Immerhin: Zumindest bleibt die in der Krimireihe fast obligatorische Konfrontation zwischen dem leitenden Kommissar und MEK-Einsatzleiter Arendt (Torsten Michaelis, Wegwerfmädchen) aus.
In der zweiten Filmhälfte wächst die Geschichte schließlich zum realitätsfernen
Actionspektakel aus: Nach einer ebenso kruden wie vorhersehbaren Wendung
kommt noch die böse Rüstungsindustrie ins Spiel und aus der anfänglichen Aktivistenaktion wird eine völlig
überkonstruierte Verschleierungstat. Petra Schmidt-Schaller wird in ihrem letzten Tatort Verbrannt ein paar Monate später immerhin noch ein
würdiger Abschied zuteil – ihr Techtelmechtel mit Falke aus Die Feigheit des Löwen wird in Frohe Ostern, Falke hingegen mit keinem Satz mehr thematisiert.
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