Folge: 963 | 22. November 2015 | Sender: NDR | Regie: Hartmut Schoen
Bild: NDR/Frederic Batier |
So war der Tatort:
Notlösend.
Denn eigentlich hätte am 22. November 2015 Der große Schmerz samt Gastspiel von Schlagerstar Helene Fischer laufen sollen – doch die ARD gab den Spielverderber und verschob den mit Spannung erwarteten dritten Einsatz von Nick Tschiller (Til Schweiger) und Yalcin Gümer (Fahri Yardim) wegen inhaltlicher Parallelen zu den Pariser Terror-Anschlägen auf den 1. Januar 2016.
Schweiger, der angesichts der prominenten Unterstützung wohl auch auf einen Wirkungstreffer im Quotenduell mit dem Tatort aus Münster gehofft hatte, passte das gar nicht, doch der NDR ließ sich nicht in seiner Entscheidung beirren. Während die eine Hälfte der Zuschauer die Entscheidung begrüßte und sich ohnehin eine Terminverschiebung auf den Sankt Nimmerleinstag wünschte, muss sich die Fischer-Fan-Fraktion noch ein paar Wochen gedulden.
Die vorgezogene Notlösung der ARD ist aber keine überzeugende: Spielverderber ist eine jener Tatort-Folgen, nach denen man förmlich die Uhr stellen kann. Kaum hat die vielbeschäftigte LKA-Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) ihren neuesten Fall aufgenommen, zückt sie auch schon ihr Handy: Es folgen die immer gleiche Bitte an ihre Mutter Annemarie (Kathrin Ackermann), auf Sohn David aufzupassen, das obligatorische Drängen ihrer Mutter, sich mehr Zeit für den Kleinen zu nehmen, und Lindholms ewige Versprechen, dies zukünftig auch wirklich zu tun. Diese Fixpunkte gehören seit Jahren fest zum Krimi aus Hannover.
Wenigstens verzichtet Regisseur Hartmut Schoen (Schlaflose Nächte), der mit Susanne Schneider (Der schöne Schein) auch das Drehbuch schrieb, auf eine Furtwänglersche Duschszene – stattdessen liegt der damalige BILD-Herausgeber Kai Diekmann als großzügig aufgeschnittene Leiche auf dem Seziertisch von Gerichtsmediziner Hans Jepsen (Niels Bormann, Vielleicht).
JEPSEN:Bei dem ist richtig was schief gegangen.
Diekmanns selbstironischer Cameo-Auftritt ist zugleich die beste Szene des entfernt an Top Gun erinnernden Krimis, dem es an Tiefgang mangelt: Während im Saarbrücker Tatort Heimatfront die Traumata deutscher Afghanistan-Soldaten greifbar wurden, wird der Bundeswehr-Alltag in Spielverderber über weite Strecken romantisiert und kaum von innen beleuchtet.
Nach dem packend in Szene gesetzten Auffinden der Leiche von Lore Körner (Nora Huetz, Ätzend) kristallisiert sich ihr Ex-Mann Jan (Gerdy Zint, Im Schmerz geboren) als Hauptverdächtiger heraus – allerdings so schnell, dass echte Krimi-Kenner kaum auf diese falsche Fährte hereinfallen dürften. Die Tatwaffe entdeckt die Kommissarin dann rein zufällig – über eine Distanz von zwanzig Metern, mitten auf einem Acker im Nirgendwo der niedersächsischen Provinz.
So rücken schließlich zwei Kollegen Körners in den Blickpunkt: Zum einen Stützpunktleiter Andreas Friedrichs (Richard van Weyden), zum anderen Soldatin Kristin Goebels (Jasmin Gerat, Grabenkämpfe), deren Mann Paul (Thure Lindhardt, Architektur eines Todes) ein Verhältnis mit der Toten nachgesagt wurde. Auch angesichts der Rollenbesetzung ist die Auflösung der Täterfrage offensichtlich – und wer schon nach der ersten Begegnung von Lindholm und Friedrichs darauf tippt, dass es früher oder später zwischen den beiden funkt, liegt ebenfalls goldrichtig.
Die kurze Liaison mit dem ergrauten Oberst reiht sich nahtlos ein in die lange Liste altbekannter Hannoveraner Standardszenen, die im 963. Tatort uninspiriert aneinandergereiht werden. Da dürfen auch die Scherereien mit dem Staatsanwalt nicht fehlen: Während Lindholm ansonsten gern mal überforderte Provinzbeamte zur Seite gestellt werden (vgl. Pauline oder Hexentanz), wird die Kommissarin diesmal vom überkritischen Staatsanwalt Mühlhoff (Rainer Winkelvoss, Todesangst) beäugt, der offenbar nichts Besseres zu tun hat, als ihr auf Schritt und Tritt zu folgen.
Seine platten Bringen-Sie-mir-endlich-Beweise-Predigten treiben Lindholm irgendwann Tränen in die Augen, beim Showdown hingegen drücken die Filmemacher beim Zuschauer auf die Tränendrüse: Judy Garlands vielzitierter Klassiker Over The Rainbow musste selten für einen so kitschigen Showdown herhalten wie in diesem Tatort.
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