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Der schöne Schein

Folge: 788 | 16. Januar 2011 | Sender: SWR | Regie: Rene Heisig

Bild: SWR/Peter Hollenbach

So war der Tatort:

Schön. Und wer schön sein will, muss bekanntlich leiden – oder wie in diesem Fall: sterben.

Als erstes (aber natürlich nicht letztes) trifft es Bonnie Marquardt, die Leiterin einer Schönheitsklinik, die in einem Schweizer Planetarium tot und mit einem Goldfisch in der Kehle aufgefunden wird, und trotz ihres Wohnorts Konstanz zunächst auf dem Leichentisch von Reto Flückiger (Stefan Gubser) landet. Flückiger?

Genau: Zum dritten Mal nach dem enttäuschenden Seenot und dem verschneiten Grenzkrimi Der Polizistinnenmörder unterstützt der Ermittler der Thurgauer Kantonspolizei die Kollegen auf der deutschen Seite des Bodensees und kommt Hauptkommissarin Klara Blum (Eva Mattes) bei einem gefühlvollen Abschiedskuss so nah wie nie zuvor. Der schöne Schein bleibt aber die letzte Zusammenarbeit der beiden: Flückiger lässt sich nach Luzern versetzen und bekommt in Kürze seinen eigenen Schweizer Tatort.

Man hätte ihm einen hochkarätigeren Abschied vom Bodensee gewünscht: Der 788. Tatort fällt vor allem im direkten Vergleich zum spannenden Der Polizistinnenmörder deutlich ab, obwohl die Ausgangslage durchaus vielversprechend ist.

Hauptkommissar Kai Perlmann (Sebastian Bezzel), der sich angesichts der dauerflirtenden Kollegen ohnehin „wie der letzte Hiwi“ vorkommt, wird nämlich in bester Cenk Batu-Manier undercover in der Schönheitsklinik eingeschleust und darf sich ohne Handy und Laptop voll darauf konzentrieren, in einem blauen Bademantel durch die Entspannungszonen zu schlendern und hübsche Frauen kennenzulernen.

Denkt man zurück an seinen köstlichen Schnöselauftritt in seiner Debütfolge Bitteres Brot, böte dies reichlich Spielraum für humorvolle Zwischentöne – doch Drehbuchautorin Susanne Schneider (Engel der Nacht) weiß die Steilvorlage leider nicht zu verwandeln.

Stattdessen frühstückt die Autorin in Der schöne Schein so ziemlich jede Problematik ab, die einem im Zusammenhang mit physischer Rundumerneuerung in den Sinn kommt: gefährliche Billig-Implantate, folgenschwerer Ärztepfusch und natürlich die allgegenwärtige Frage nach der Notwendigkeit von Schönheitsoperationen, die Vollweib Blum halbherzig mit Frauenschwarm Flückiger und einer unterkühlten Klinikschwester diskutiert.


BLUM:
Lieber was Richtiges im Kopf als was Falsches im BH.

SCHWESTER:
Lassen Sie sich das doch auf ein T-Shirt drucken.

Pünktlich zur vollen Tatort-Stunde gibt es die zweite Leiche – und spätestens dann wird klar, dass Blum & Co. einen Serientäter suchen, der es offenbar auf das einst verschworene Quartett um Bonnie Marquardt, ihren in der Klinik als Anästhesist tätigen Ehemann Peter Marquardt (Johann von Bülow, Waffenschwestern) und das Chirurgenpärchen Gloria (Ursina Lardi, Wunschdenken) und Holger Riekert (Andreas Pietschmann, Fettkiller) abgesehen hat.

Da außer diesen vier Personen, zwischen denen es erwartungsgemäß heftig knirscht, nur noch zwei weitere näher beleuchtet werden, ist die Auflösung nicht weiter knifflig, wird von Regisseur René Heisig (Hexentanz) bei einer Verfolgungsjagd auf hoher See aber trotz einiger unfreiwillig komischer Momente zumindest packend in Szene gesetzt.

Ansonsten punktet der 788. Tatort vor allem – und das rettet in Konstanz ja häufig auch die schwächeren Drehbücher – mit einer stimmigen Atmosphäre: Die Bildgestaltung in der Klinik ist kalt und steril, die Welt der Reichen und Schönen erscheint herrlich oberflächlich, und der Ausblick aus der Marquardtschen Villa schlichtweg atemberaubend.

Schade, dass letzteres nicht auch für den Rest des Krimis gilt.

Bewertung: 5/10


Kommentare

Eine Antwort zu „Der schöne Schein“

  1. "Der schöne Schein" – dieser Titel passt nicht nur thematisch gut zum Film, sondern beschreibt auch seine Qualität ganz vorzüglich. Denn während die Kamera zahlreiche schlichtweg atemberaubende Bilder – etwa aus der Villa – festhält, die diese Gegend zu bieten hat, ist das Drehbuch eine große Enttäuschung.

    Dieser Tatort wurde so offensichtlich auf dem Reißbrett entworfen, dass mit tollen Aufnahmen nur wenig gerettet werden kann. So kommt die zweite Leiche etwa genauso wenig überraschend wie die Auflösung der Täterfrage. Selbst das Motiv bahnt sich schon früh an. Zudem sind viele Handlungsschlenker völlig absurd: Wie konnte niemand bei Perlmanns peinlichem Undercover -Einsatz auch nur Verdacht schöpfen? Woher kam Blums Eingebung, wo der Täter zu finden sein würde – und das gerade im richtigen Moment?
    Auch das Thema des Tatorts wird nur sehr unzufriedenstellend abgefrühstückt: Die neunmalklugen Äußerungen der Kommissare zu Schönheits-OPs wirken gestellt und bieten keinen Mehrwert.

    Immerhin: Das Finale ist packend inszeniert, und die Schlusspointe ist überaus witzig. Auch über die Schauspieler kann man nicht meckern. Die musikalische Untermalung ist nahezu perfekt. Und die wahnsinnig sterile Klinik, in der man Natur sucht und sich doch eigentlich von ihr entfernt, der weitläufige See, über dem man die kühle Luft zu spüren meint und die luxoriösen Villen mit einschüchternden Glasfronten und Ingo-Maurer-Lampen bieten einen tollen Rahmen.

    Dennoch nur enttäuschend: 4/10.

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