Folge: 977 | 28. Februar 2016 | Sender: WDR | Regie: Sebastian Ko
Bild: WDR/Martin Menke |
So war der Tatort:
Stark angelehnt an Oliver Stones Natural Born Killers, Tony Scotts True Romance oder Arthur Penns Bonnie und Clyde – aber in Sachen Unterhaltungswert weit von diesen Hollywood-Klassikern entfernt.
Drehbuchautor Jürgen Werner, der nach Du gehörst mir zum zweiten Mal binnen fünf Wochen ein Tatort-Skript beisteuert, bricht in Kartenhaus mit einem ungeschriebenen Tatort-Gesetz: Das Publikum weiß von Beginn an um Mörder und Motiv. Bonnie und Clyde sind in diesem Fall Laura Hartmann (Ruby O. Fee, Happy Birthday, Sarah) und Adrian Tarrach (Rick Okon, Freunde bis in den Tod): Weil sich ihr Stiefvater offenbar an Laura vergangen hat, ersticht der vorbestrafte Draufgänger Adrian den verhassten Klaus Hartmann (Thomas Bastkowski, Verschleppt) in dessen Küche, während seine Ehefrau Carmen (Julika Jenkins, Fünf Minuten Himmel) ahnungslos im Auto auf ihn wartet. Der 80er Jahre-Klassiker When The Rain Begins To Fall dröhnt durch die Wohnung und Adrian und Laura ergreifen kurzerhand die Flucht.
„Mallory und Mickey sind glücklich zusammen in den Sonnenuntergang gefahren“, verweist der Mörder auf das Ende in Natural Born Killers, doch für das junge Paar im 977. Tatort wird es natürlich kein Happy End geben: In der Krimireihe behalten in aller Regel die Ermittler die Oberhand, und das ist in Kartenhaus nicht anders.
Die Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) jagen Laura und Adrian durch Köln, scheinen es aber nicht besonders eilig zu haben: Erst als ihr Kollege Tobias Reisser, der sich im letzten Kölner Tatort Benutzt als erster schwuler Assistent in der Geschichte der ARD-Reihe outete, in Gefahr gerät, legen die beiden endlich einen Zahn zu.
BALLAUF:Ich hab keine Lust, schon wieder ’nen Assistenten zu verlieren.
Eine wunderbare Hommage an die 2014 verstorbene Franziska Lüttgenjohann (Tessa Mittelstaedt) – und eines der wenigen Highlights in einem Krimi, in den sich im Mittelteil gehörig Leerlauf einschleicht.
Statt Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen und die Domstadt mit allen verfügbaren Einsatzkräften zu durchforsten, hangeln sich Ballauf und Schenk seelenruhig von Dialog zu Dialog und fassen die gewonnenen Erkenntnisse in gewohnter Manier beim Gang zu Freddys geparktem Oldtimer zusammen. Weil der Zuschauer ohnehin schon weiß, wo sich Adrian und Laura verstecken, gestaltet sich das ziemlich zäh – am dynamischsten fällt noch eine kurze Zu-Fuß-Verfolgungsjagd von Drogendealer Ivo Tarek (Aleksandru Cirneala) aus, die auf dem Dach eines Parkhauses ein amüsantes Ende findet (Schenk: „Wo bleibst du denn?“).
Ansonsten spielen die Ermittler in Kartenhaus oft nur die zweite Geige, denn die Beziehung zwischen dem abgebrühten Adrian und der undurchsichtigen Laura – Anspielung auf American Beauty inklusive – ist der Dreh- und Angelpunkt des Films. Trotz der ansprechenden Darbietungen von Rick Okon und Ruby O. Fee, die uns am Rande der Dreharbeiten ein kurzes Interview gab, fehlt es den jungen Hauptfiguren aber an Fallhöhe: Insbesondere über Lauras Seelenleben erfährt das Publikum zu wenig. Warum erfindet die aufreizende Außenseiterin immer wieder abstruse Geschichten?
Diese Frage wird (anders als zum Beispiel bei der Hauptfigur im deutlich stärkeren Borowski und der Engel) nur vage beantwortet, so dass man nur schwer Zugang zu ihr findet. Adrians Vorgeschichte hingegen wurde schon oft erzählt: Sein prügelnder Alki-Vater ist früh verstorben, seine geliebte Mutter Pia Tarrach (stark: Bettina Stucky) ein verbitterter Pflegefall – wer in solchen Verhältnissen aufwächst, der kann offenbar nur auf die schiefe Bahn geraten.
Auch der Showdown bietet wenig Überraschendes: Einmal mehr geht es hinauf in luftige Höhen, wie es in den Monaten zuvor unter anderem in Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes oder in Spielverderber zu beobachten war.
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