Folge: 980 | 20. März 2016 | Sender: NDR | Regie: Özgur Yildirim
Bild: NDR/Marion von der Mehden |
So war der Tatort:
Lorenzlos. Denn sechs Tatort-Einsätze in Hamburg und Niedersachsen in der Rolle der Bundespolizistin Katharina Lorenz waren Petra Schmidt-Schaller – auch aus privaten Gründen – genug.
Bei ihrem Abschied im Tatort Verbrannt stand ihre Nachfolgerin bereits fest: Die gebürtige Wienerin Franziska Weisz (Der Wächter der Quelle) ist in Zorn Gottes zwar noch als Flughafeninspektorin Julia Grosz im Einsatz, steht Bundespolizei-Ermittler Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) aber von nun an dauerhaft zur Seite.
Das Debüt ihrer neuen Tatort-Figur kann sich sehen lassen: Die Afghanistan-Rückkehrerin, die nach einer traumatischen Erfahrung den Dienst quittiert und am Flughafen Hannover einen ruhigeren Job gefunden hat, bringt genau die interessante Lebensgeschichte mit, die ihre oft blasse Vorgängerin Lorenz vermissen ließ (oder nie preisgab). Mit ihrer Einsilbigkeit lockt Grosz ihren plauderfreudigen Kollegen immer wieder aus der Reserve – das führt vor allem in der ersten Krimihälfte zu einigen amüsanten Dialogen, weil der gewohnt schnodderige Falke vergeblich Zugang zu seiner neuen Partnerin sucht.
Für allzu viel Witz bleibt aber gar keine Zeit, denn Drehbuchautor Florian Öller und Regisseur Özgur Yildirim, der auch beim starken Falke-Debüt Feuerteufel am Ruder saß, befassen sich in Zorn Gottes mit einem im Jahr 2016 brandaktuellen Thema: der Gefahr durch Terroranschläge in Deutschland. Doch der Tatort wäre nicht der Tatort, wenn es nicht trotzdem die obligatorische Auftaktleiche gäbe – und die fällt diesmal aus einem Flugzeug direkt in den Swimmingpool einer Villa. Platsch!
Doch was ist passiert? Der am Flughafen Hannover arbeitende „Rocky“ Kovac (Christoph Letkowski, Brüder) ist mit seinem Halbbruder Mike (Alexander Wüst) und seiner Freundin Laura (Claudia Eisinger, Tod einer Lehrerin) als Schleuser aktiv und bringt den Terroristen Enis Günday (Cem-Ali Gültekin, Hinter dem Spiegel) ins Land – doch weil er Günday mit dem Araber Asis Berhan (Neil Malik Abdullah, Schwelbrand) verwechselt, unbeobachtet von allen Kameras erschlägt und im Fahrgestell des Flugzeugs verstaut, rückt schon bald die Spurensicherung an.
Weil der Mörder feststeht und vom vorübergehend in Gefangenschaft geratenen Terroristen Günday lange keine Gefahr ausgeht, stürzt der Film nach dem gelungenen Auftakt allerdings in ein Spannungsloch: Erst im Schlussdrittel befreit Öller seine Geschichte, die vom Soundtrack des Musikproduzenten Mousse T. und Peter Hinderthür (Wolfsstunde) begleitet wird, endlich aus dem einengenden Tatort-Korsett.
An den thematisch ähnlich gelagerten US-Serienhit Homeland oder den packenden Hamburger Meilenstein Der Weg ins Paradies, in dem Undercover-Cop Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) eine islamistische Terrorzelle hochgehen ließ, reicht der 980. Tatort daher nicht ganz heran: Statt die Spannungsschraube von Beginn an kontinuierlich anzuziehen, verlieren sich die Filmemacher vorübergehend in einem Nebenkriegsschauplatz, der die Geschichte kaum voranbringt. Auch mit der Logik ist es stellenweise nicht weit her: Die hochschwangere Laura zeigt sich bemerkenswert agil, während Falke die folgenreiche Verwechslung am Flughafen mal eben durch eine spontane Eingebung schlussfolgert.
Der Übergang zum großen Showdown, bei dem der Body Count drastisch ansteigt, gerät dann etwas hektisch: Die rasche Beschleunigung auf Tempo 100 erinnert an die Hamburger Tatort-Kollegen Tschiller und Gümer, die bei ihren bisherigen Einsätzen (inklusive des Kino-Flops Tschiller: Off Duty) die Leichenberge förmlich auftürmten.
Hätten die Filmemacher die Suche nach dem Terroristen früher zugespitzt und dessen drohenden Anschlag als Steilvorlage für einen Wettlauf gegen die Zeit genutzt, wäre aus Zorn Gottes ein noch hochklassigerer Thriller geworden – so ist der erste Einsatz von Falke und Grosz unter dem Strich „nur“ ein unterhaltsamer Tatort, der etwas spät auf Touren kommt.
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