Folge: 1052 | 18. März 2018 | Sender: WDR | Regie: Sebastian Ko
Bild: WDR/Thomas Kost |
So war der Tatort:
Reisserfrei.
Denn nach zehn Einsätzen an der Seite der Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) ist auch schon wieder Schluss für den fleißigen Kölner Assistenten Tobias Reisser (Patrick Abozen), der 2011 in Der Fall Reinhardt sein Debüt feierte: „Schöne Grüße aus Las Vegas. Seine Hochzeit war geil, er schickt ’n Foto“, heißt es im Tatort Mitgehangen – mehr erfahren wir über seinen Abschied nicht mehr, denn auch der WDR hat zu Abozens Ausstieg kaum mehr als wachsweiche Statements an die Öffentlichkeit kommuniziert.
Reissers Nachfolger steht bereits in den Startlöchern: „Einarbeitung dauert natürlich“, betont der sympathische Norbert Jütte (Roland Riebeling), und macht gleich zu Beginn des Films deutlich, dass er als Gegenentwurf zu seinem emsigen Vorgänger bei weitem nicht das Tempo vorlegt, dass vor allem Schenk sich im Präsidium wünschen würde.
Zugleich stiehlt Jütte mit seiner unerschütterlichen Gemütlichkeit aber viele Szenen und bildet den willkommenen Ruhepol in diesem emotional aufgeladenen Krimi, in dem das Verhältnis zwischen Ballauf und Schenk einer Belastungsprobe unterzogen wird: In der Eröffnungssequenz hängt Reifenhandelbesitzer Matthes Grevel (Moritz Grove, Alles was sie sagen) tot in seiner U-Haft-Zelle – er stand unter Verdacht, seinen Teilhaber Florin Baciu (Kristijan Rasevic) erschossen und anschließend im Kofferraum eines Autos in einem Baggersee versenkt zu haben.
Die Vorwegnahme dieses späteren Wendepunkts ist bereits die einzige erzählerische Eigenwilligkeit von Drehbuchautor Johannes Rotter (Scheinwelten) und Regisseur Sebastian Ko (Wacht am Rhein), die bei den Ermittlungen voll auf das Wie-gut-kannten-Sie-den-Toten-Prinzip und die dazu passenden Dialoge setzen.
BALLAUF:
Sie waren in Brühl am Heider Bergsee. Was haben Sie da gemacht?
GREVEL:Ja. Nachtangeln mit meinem Sohn. Machen wir öfters.
BALLAUF:
Was haben Sie da die ganze Nacht gemacht?
GREVEL:Geangelt.
Der handfeste Streit zwischen den Kölner Kommissaren – Junggeselle Ballauf ist felsenfest von Grevels Schuld überzeugt, während Familienvater Schenk Zweifel hegt – ist typisch für den Krimi aus der Domstadt, in dem die obligatorische Stippvisite am Rheinufer diesmal aber entfällt: Schenk muss seine Currywurst trotz eines zwischenzeitlichen Friedensangebots allein essen, während der auffallend nachdenklich gestimmte Ballauf sich bei einsamen Bahnen in der Schwimmhalle abreagiert.
Seine stärksten Szenen hat der 1052. Tatort dann, wenn die Filmemacher wie hier aus den altbekannten Schemata ausbrechen – diese Momente lassen sich allerdings an einer Hand abzählen und auch beim Blick auf die Figuren und Schauspieler ergibt sich unterm Strich kein ganz überzeugendes Bild. Lavinia Wilson, die 2013 in Borowski und der Engel als manipulatives Biest brillierte, kauft man die Rolle als zweifache Mutter Katrin Grevel trotz aller schauspielerischer Qualität genauso wenig ab wie ihre Liebe zum inhaftierten Gatten – der Funke will hier selten überspringen.
Über das Seelenleben der übrigen Charaktere erfahren wir hingegen nur wenig, was über Klischees hinausgeht, während die erfahrene Lana Cooper (2017 stärker im Polizeiruf 110 Einer für alle, alle für Rostock) und Jungschauspieler Alvar Julian Götze gelegentlich dicker auftragen, als es ihren Figuren gut tut.
Hinter der Kamera zeigen sich ebenfalls Schwächen: Eine Szene in einer Fechthalle ist so unbeholfen arrangiert, dass aus der beabsichtigten Dramatik unfreiwillige Komik wird – und der Moment, in dem Grevel vom Tod ihres Gatten erfährt, wird durch eine lange Kamerafahrt, eine bedeutungsschwangere Zeitlupe und die zweifellos wunderbaren Klänge von Leonard Cohens It Seemed The Better Way fast zum Kitsch überhöht.
Auch zum schwachen Vorgänger Bausünden ergibt sich eine auffällige Parallele: Der Soundtrack fällt erneut seltsam aufdringlich aus – eine Hausdurchsuchung bei den Grevels wird durch die monoton-repetierenden Akkorde eher konterkariert, als dass diese für Dynamik sorgen würden.
Wäre da nicht die wirklich überraschende Auflösung der Täterfrage – aus Mitgehangen wäre wohl nicht einmal ein durchschnittlicher Tatort geworden. Assistent Jütte hingegen hat das Potenzial zur Kultfigur – denn allein die Sequenz, in der er am Schreibtisch in Seelenruhe seinen Blutdruck misst und dem kurz vorm Wutausbruch stehenden Schenk bereitwillig sein Messgerät anbietet, ist das Einschalten wert.
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