Folge: 1055 | 15. April 2018 | Sender: BR | Regie: Max Färberböck
Bild: BR/Hager Moss Film GmbH/Felix Cramer |
So war der Tatort:
Halbdunkel.
Denn die Filmemacher sparen beim vierten Franken-Tatort bewusst an der Beleuchtung: Die Seltenheit hell ausgeleuchteter Szenen hat in diesem Krimi aus Nürnberg Methode. Regisseur Max Färberböck und Kameramann Felix Cramer, die bereits den ästhetisch ähnlichen ersten Franken-Tatort Der Himmel ist ein Platz auf Erden gemeinsam drehten, spielen mit den spärlichen Lichtverhältnissen und dem daraus entstehenden Schatten, so dass Augenpaare häufig zu finsteren Höhlen werden oder Gesichtshälften im Schwarz verschwinden.
Man kann das entweder als Visualisierung eines verbitterten Auftaktmonologs („Unser Leben ist ein schwarzer Raum, rabenschwarz!“) von Kriminalkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) oder als stilistische Fingerübung interpretieren, Fakt ist aber in jedem Fall: Ich töte niemand ist ein optisch sehr eigenwilliger und zugleich sehr sperriger Tatort, dessen komplexe Geschichte selbst hartgesottene Zuschauer auf die Probe stellt.
Dabei beginnt alles ganz klassisch: Nach dem Hineinschnuppern ins Privatleben der Ermittler – Voss feiert seine Einweihungsparty mit Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel), Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid), Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt) und weiteren Kollegen und Freunden – inspizieren die Kommissare die Leichen zweier tot geprügelter Libyer, beraten sich mit Spurensicherungsleiter Michael Schatz (Matthias Egersdöfer), holen sich den obligatorischen Rüffel bei ihrem Vorgesetzten Dr. Mirko Kaiser (Stefan Merki) ab und debattieren auf der Fahrt zum ersten Verhör über ihr trauriges Schicksal als Kripo-Ermittler.
RINGELHAHN:
Mensch, Felix. Nun sag doch einfach mal was Schönes.
VOSS:
Warum denn?
RINGELHAHN:
Weil wir gleich da sind.
Fast könnte man meinen, Max Färberböck wolle sein Publikum einleitend in Sicherheit wiegen: Schon 2015 inszenierte der Filmemacher mit dem Münchner Meilenstein Am Ende des Flurs eine der stärksten Tatort-Folgen der letzten Jahre, schockte die Zuschauer am Ende aber mit einem dramatischen Cliffhanger, bei dem das Leben von Hauptkommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) am seidenen Faden hing.
Auch der 1055. Tatort lässt viele Zuschauer irritiert zurück, doch hat das diesmal einen anderen Grund: Die Geschichte, die Färberböck mit Catharina Schuchmann geschrieben hat, erfordert höchste Aufmerksamkeit und gestattet weder Second Screens noch sonstige Ablenkungen.
Nach dem soliden Auftakt ist es nämlich schnell vorbei mit der Gemütlichkeit: Färberböck begibt sich mit seinem komplexen Drehbuch auf ähnliches Terrain wie sein Kollege Dominik Graf, der das Publikum mit seinen berühmt-berüchtigten TV-Krimis immer wieder aufs Neue (heraus-)fordert (zuletzt im RAF-Tatort Der rote Schatten).
Deutlich früher als die Kommissare wissen wir zum Beispiel, dass sich der untergetauchte Ziehsohn der beiden toten Libyer, Ahmad Elmahi (Josef Mohamed), im schummerigen Keller von Schneider Nasem Attallah (Nasser Memarzia) aufhält – weil wir außer schemenhaften Gesichtern und (untertitelten) Dialogfragmenten aber lange Zeit wenig Konkretes geliefert bekommen, bleiben die Hintergründe des Versteckspiels buchstäblich im Dunkeln.
Erst auf der Zielgeraden kommt Licht in die Sache, bis zur Auflösung und dem dramatischen Showdown ist es in Ich töte niemand aber ein weiter und beschwerlicher Weg. Und man kann sich des Eindrucks nie ganz erwehren, dass die politisch korrekt erzählte Murder-And-Revenge-Story nicht ganz mit ihrer kunstvollen Verpackung mithalten kann: Wenn Färberböck die Kommissare – dieses Motiv war bereits im ersten Franken-Tatort zu beobachten – unzählige Male über endlose Landstraßen fahren lässt, liefert das wunderbare Bilder, verkommt aber ein Stück weit zum Selbstzweck (immerhin spielt der Krimi in der Großstadt Nürnberg).
Auch die Spannungskurve schlägt erst im Schlussdrittel aus: Voss‘ Einweihungsparty – leidenschaftliches Gefummel der Kollegen inklusive – bleibt lange Zeit das Aufregendste in diesem Krimidrama, in dem wir viel über Paula Ringelhahn erfahren und in dem Hauptdarstellerin Dagmar Manzel ebenso groß aufspielt wie Nebendarstellerin Ursula Strauss (Kinderwunsch), die mit der verwitweten Gudrun Leitner eine der Schlüsselrollen innehat.
Und dann ist da noch der melancholische, aber sehr eintönige Soundtrack, der die Tristesse gezielt verstärkt: Die aus der britischen Krimiserie Broadchurch bekannte Ballade So far von Ólafur Arnalds ertönt in diesem Tatort mindestens einmal zu viel.
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