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Borowski und das Haus am Meer

Folge: 1112 | 15. Dezember 2019 | Sender: NDR | Regie: Niki Stein

Bild: NDR/Sandra Hoever

So war der Tatort:

Deutsch-dänisch.

Denn nicht zum ersten Mal wird in der nördlichsten Tatort-Stadt grenzüberschreitend ermittelt und bisweilen auch mit Untertiteln gearbeitet: Nach seinem Finnland-Ausflug in Tango für Borowski, der Stippvisite in Schweden in Borowski und der coole Hund oder dem Ausflug ins Grenzgebiet Südschleswig in Borowski und der brennende Mann reist Hauptkommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) diesmal mit Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) nach Dänemark.

Wie bei seinen vorherigen Exkursionen nimmt die Geschichte in Borowski und das Haus am Meer aber zunächst in Kiel ihren Anfang: Den Kommissaren läuft bei einer nächtlichen Autofahrt der achtjährige Simon (Anton Peltier) vors Auto und behauptet, sein Großvater läge tot im Wald, während er selbst von einem Hund angefallen und von einem Indianer beschützt worden sei. Weil Borowski und Sahin im Wald nichts finden, liefern sie den verängstigten Jungen bei seinen Eltern – dem Pfarrer Johann Flemming (Martin Lindow, Atlantis) und seiner Frau Nadja (Tatiana Nekrasov, Tiere der Großstadt) – ab. Sie bestätigen, dass Simons an Alzheimer erkrankter Großvater Heinrich (Reiner Schöne, Eine todsichere Sache) verschwunden ist.

Als dessen Leiche am nächsten Morgen am Strand gefunden wird, führt die Spur nach Dänemark: Heinrich wollte wohl zu Inga Andersen (Jannie Faurschou) fliehen, mit der er in den 70er Jahren die anti-autoritäre Bildungseinrichtung „Arken“ betrieben hat, in der die Lehrer ihre Schülerinnen und Schüler höchstpersönlich bei der Entdeckung ihrer Sexualität unterstützt haben.


SAHIN:
Das ist doch ekelhaft.

BOROWSKI:
Ja gut, das war aber eine ganz andere Zeit. Wir haben damals ständig mit unseren Lehrern darüber diskutiert…



SAHIN:
Ja, diskutiert vielleicht. Aber Sie haben ja nicht mit Ihrer Lehrerin geschlafen.

BOROWSKI:
Wenn Sie mich so direkt fragen…

Regisseur und Drehbuchautor Niki Stein (Dunkle Zeit) hat sich ein bisschen viel für seinen fünfzehnten Tatort vorgenommen: Die Geschichte wird unnötig umständlich erzählt und wirkt überladen, einigen Figuren fehlt die Tiefe und selbst Borowski und Sahin scheinen mit ihrem dritten gemeinsamen Fall nicht so recht warm zu werden.

Schon in den unübersichtlichen Anfangsminuten verlangt der Filmemacher den Zuschauern einiges an Aufmerksamkeit ab: Die Eröffnungssequenz in Dänemark greift auf ein Ereignis vor, das drei Tage später spielt und auf der Zielgeraden des Krimis wieder aufgegriffen wird. Der Mehrwert dieser erzählerischen Fingerübung erschließt sich allerdings nicht und geht in der missglückten Einleitung unter: Das Geschehen springt anfangs pausenlos zwischen verschiedenen Schauplätzen, noch unbekannten Figuren und unterschiedlichen Zeitebenen. Erst mit dem Auftauchen des kleinen Simon findet der 1112. Tatort in die Spur und arbeitet die üblichen Standardsituationen der Krimireihe ab – Einschätzungen von Rechtsmedizinerin Kroll (Anja Antonowicz) inklusive.

Besonders reizvoll erscheint das Duell zwischen dem bemerkenswert unsympathischen Pfarrer Flemming und Borowski, der in bester Columbo-Manier mehr zu wissen scheint, als der Tatverdächtige ahnt – und dem Zuschauer dies mit entsprechenden Blicken auch zwischen den Zeilen zu verstehen gibt. Ehe es richtig interessant wird, brechen die Ermittler aber nach Dänemark auf und verfolgen eine andere Fährte – prompt stürzt der Film in ein Spannungsloch, aus dem er sich bis zum Showdown nicht mehr zu befreien vermag.

Weil Borowski und Sahin vorübergehend getrennte Wege gehen, ergeben sich auch kaum noch Reibungspunkte: Von früheren Glanzzeiten, in denen Borowski mit seiner toughen Ex-Kollegin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) aneinandergeriet oder bei der introvertierten Polizeipsychologin Frieda Jung (Maren Eggert) auf Tuchfühlung ging, ist der Kieler Tatort hier meilenweit entfernt. Auch für Kripochef Roland Schladitz (Thomas Kügel) scheint es in Borowski und das Haus am Meer keine sinnvolle Verwendung zu geben.

Das wäre kein Beinbruch, wenn der Mordfall wenigstens überzeugend ausfiele – doch der wirkt spätestens bei einem dünnen Brückenschlag in die NS-Zeit überfrachtet, weil die Filmemacher zwei Vater-Sohn-Dramen noch ein drittes hinzufügen und viele Themen anreißen, ohne sie angemessen weiterzuverarbeiten.

Und dann ist da noch der irgendwo zwischen Realität und Fiktion verortete Indianer Erik Larsen (Thomas Chaanhing), der wohl etwas Mystery-Atmosphäre in den Krimi bringen soll – bei seinen theatralischen Kurzauftritten aber eher unfreiwillig komisch wirkt.

Bewertung: 4/10

Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort „Querschläger“


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