Bild: Das Erste

Querschläger

Folge: 1111 | 1. Dezember 2019 | Sender: NDR | Regie: Stephan Rick

Bild: NDR/Christine Schroeder

So war der Tatort:

Nicht ganz so gelungen wie der grandiose Frankfurter Meilenstein Weil sie böse sind, die schräge Münsteraner Komödie Der Hammer oder der emotionale Dortmunder Rockerkrimi Zahltag.

Doch liegt das nicht am groß aufspielenden Milan Peschel, der nach den genannten drei Folgen auch in der 1111. Tatort-Ausgabe in seiner Rolle als mordender Zollbeamter Steffen Thewes wieder allen die Schau stiehlt. Nein. Es liegt vielmehr am enttäuschenden Drehbuch, das es mit der Logik nicht sehr genau nimmt, den Tiefgang an entscheidenden Stellen vermissen lässt und bisweilen sogar in den Betroffenheitskitsch abdriftet.

Dabei hätte aus Querschläger ein packender Wettlauf gegen die Uhr werden können: Autor Oke Stielow hat sich bei seinem Tatort-Debüt für einen geradlinigen Sniper-Thriller entschieden, bei dem er die Täterfrage nicht stellt und auch die Motive des Mörders für den Zuschauer frühzeitig offenlegt.

Wir werden einleitend – ebenso wie die Bundespolizisten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) – auf einem Rastplatz hautnah Zeuge, wie Thewes auf den LKW von Efe Aksoy (Deniz Arora) schießt und ein unbeteiligter Trucker durch den titelgebenden Querschläger ums Leben kommt, und dürfen später im Gegensatz zu Falke und Grosz auch noch dabei sein, wenn Thewes seiner schwerkranken Tochter Sara (Charlotte Lorenzen) zu Hause aufmunternde Worte zukommen lässt.

Der finanziell nicht auf Rosen gebettete Zollbeamte will 300.000 Euro vom Bruder des LKW-Fahrers, Spediteur Cem „Jimmy“ Aksoy (Eray Egilmez, Tschiller: Off Duty) erpressen, um die überlebensnotwendige OP seiner Tochter zu bezahlen, und ist in seiner Verzweiflung zu allem bereit – schenkt seiner Gattin Marie (Oana Solomon, Klingelingeling) dabei aber keinen reinen Wein ein.


STEFFEN THEWES:
Ich bin da an was dran.

MARIE THEWES:
Was soll das sein? Bitcoins?

Während Milan Peschel als verzweifelter Familienvater sein ganzes Können in die Waagschale wirft und wacker gegen die Eindimensionalität seiner Figur ankämpft, offenbaren sich beim Blick auf die zweifellos kurzweilige, aber oft konstruiert wirkende Geschichte Schwächen.

Die Ermittler leisten sich so manchen Lapsus (Grosz bringt sich einleitend unnötig in Lebensgefahr, Falke lässt den Täter gleich mehrfach entkommen) und ausgerechnet Thewes‘ Handeln – emotionale Ausnahmesituation hin oder her – ist in diesem Krimi nicht immer nachvollziehbar. Eine Kurzschlussreaktion bei einer Begegnung mit einem Jäger im Wald will nicht recht einleuchten, und anstatt Thewes einfach von Beginn an auf Aksoys Familie loszulassen, um an dessen Geld zu kommen, wählen die Filmemacher einen seltsamen Umweg über dessen berufliches Umfeld. Nähere Ausführungen über Aksoys krumme Geschäfte und das schwierige Verhältnis zu seinem ebenfalls in der Speditionsbranche tätigen Schwiegervater Roland „Rolle“ Rober (Rudolf Danielewicz, Liebeshunger) werden dabei nur in wenigen Sätzen angerissen.

Das wirkt alles ziemlich blutleer und ist unter der routinierten Regiearbeit von Stephan Rick auch erst auf der Zielgeraden spannend: All das, was der Zuschauer längst weiß, müssen Falke und Grosz sich mit der Unterstützung von Polizistin Tine Geissler (Marie Rosa Tietjen), die sich aus nicht näher erörterten Gründen auf den ersten Blick in Grosz verguckt und auf eben diese Schwärmerei reduziert wird, mühsam zusammenreimen. Frage A führt zu Aussage B, Person C führt zu Akte D und schließlich zu Hinweis E. Wirklich mitzureißen vermögen diese Ermittlungen nach Schema F ebenso wenig wie das Schicksal von Thewes‘ Tochter Sara, weil sich die Filmemacher weder nennenswert mit ihr als Person, noch mit ihrer Krankheit oder ihren möglichen Ängsten vorm Sterben auseinandersetzen („Spätestens Weihnachten bin ich tot.“).

Stattdessen gipfelt das Ganze in einer bemerkenswert kitschigen Begegnung mit Falke, der sich bei einem Besuch an ihrem Krankenbett Saras Kopfhörer aufsetzt und in ein paar Takte der Giant Rooks reinhört, die gleich drei Songs zu diesem Tatort beigesteuert haben und die Promo für ihre Popmusik sicher gern mitnehmen.

Da hat man den Tatort aus Norddeutschland schon überzeugender gesehen – und es bleibt zu hoffen, dass er nach tollen Folgen wie Feuerteufel oder Alles was Sie sagen schnell wieder zu alter Stärke zurückfindet.

Bewertung: 5/10

Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort „Baum fällt“


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert