Schmerzhaft – und das gleich in doppelter Hinsicht.
Da ist zum einen Moritz Eisner (Harald Krassnitzer), der einmal mehr mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat: Nach seinem Gipsbein in Lohn der Arbeit, seiner Grippe in Kein Entkommen oder seiner retrograden Amnesie in Unvergessen leidet der Wiener Oberstleutnant in Krank unter einem Hexenschuss, der seine ohnehin schon überschaubar gute Laune zusätzlich dämpft.
Und da ist zum anderen ein Drehbuch, das vor allem die Anhänger von Homöopathie, alternativen Heilmethoden oder sogenannter „sanfter Medizin“ mit schmerzhaften Wahrheiten konfrontiert: Homöopathie wirkt nicht über den Placebo-Effekt hinaus – und wer lieber auf die Ratschläge unstudierter Quacksalber als auf die Schulmediziner hört, erlebt vielleicht ein böses Erwachen. Eine klare Botschaft.
Denn so ergeht es in diesem Tatort Peter Simon (Christian Schiesser), der seiner Tochter keine Antibiotika verabreichen will: Er setzt auf wirkungslose Heilmittelchen des äußerst profitabel wirtschaftenden Anti-Pharmakonzerns „Medicinia Lenia“. Das Kind stirbt, ihr Vater fällt vom Globuli-Glauben ab und zieht vor Gericht – und wird selbst zum Opfer, als man ihn auf offener Straße überfährt. Hängen die Todesfälle zusammen?
Moritz Eisner und Bibi Fellner (Adele Neuhauser), die bei ihrem 24. gemeinsamen Fall ohne ihren Vorgesetzten Ernst Rauter (Hubert Kramar) auskommen müssen, übernehmen mit ihrem Assistenten „Fredo“ Schimpf (vorletzter Auftritt: Thomas Stipsits) die Ermittlungen und geraten nach Schockzum zweiten Mal mit „Korinthenkacker“ Gerold Schubert (Dominik Warta) vom Verfassungsschutz aneinander.
Weitgehend einig sind sie sich nicht nur, was dessen Arbeit angeht, sondern auch in ihrer Geringschätzung der sanften Medizin: Regisseur und Drehbuchautor Rupert Henning (One Way Ticket) lässt die beiden im Dienstwagen oder auf dem Weg zur Tatort-Besichtigung in gewohnter Manier aufeinander los und spart dabei nicht mit Seitenhieben gegen selbsternannte Humanenergetiker und köstlicher (Selbst-)Ironie.
FELLNER:
Das heißt, ich kann den Beruf ausüben ohne den Nachweis einer Berufsausbildung?
EISNER:
Ja. Das ist ein bissl so wie bei Nachtwächtern, Politikern, Schauspielern…
Das funktioniert über weite Strecken prächtig: Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser stellen im 1141. Tatort unter Beweis, warum sie in ihren Hauptrollen im Jahr 2020 vielleicht das am besten harmonierende Ermittlerduo der Reihe sind. Die Dialoge sitzen, das Zusammenspiel wirkt ungemein authentisch – und wenngleich die Geschichte diesmal etwas verkorkst und überkonstruiert anmutet, helfen die unverbrauchten Figuren stets über Hänger hinweg.
Einen solchen gibt es im spannungsarmen Mittelteil, in dem dem Krimi zunehmend die Puste ausgeht: Das Für und Wider von Naturheilmethoden ist im Zusammenspiel mit dem diesmal besonders gefragten Rechtsmediziner Kreindl (Günter Franzmeier) abgefrühstückt, der ersten Tatort-Leiche die zweite gefolgt – wenn auch etwas früher als nach der gewohnten Dreiviertelstunde. Doch es sind noch viele Minuten zu gehen und der Weg bis zur Auflösung der Whodunit-Konstruktion ist weiter, als es dem Film gut tut.
Zu diesem Zeitpunkt legt auch der zweite Handlungsstrang – die Vendetta der flüchtigen Ex-Frau des Toten – eine Verschnaufpause ein, entfaltet aber ohnehin wenig Durchschlagskraft. Denn als Zuschauer sind wir hin- und hergerissen, was wir von der Kolumbianerin Maria Ana Moreno (Sabine Timoteo, Gesang der toten Dinge) halten sollen: Bedauern wir die rabiate Tat- und Terrorverdächtige nun, weil man einer liebenden Mutter ihr Kind entrissen hat? Oder sollen wir uns fürchten, weil sie kaltblütig Hunde abknallt und Polizisten die Kauleiste verbiegt?
Man macht es dem Publikum mit dieser Figur nicht leicht, und deshalb halten wir uns an Eisner und Fellner, die die Machenschaften des ML-Konzerns freilegen und Bibel-Vergleiche wie den Judaskuss bemühen. Doch egal, wem sie begegnen: Außer Moreno darf sich niemand in den Vordergrund spielen. Konzernchef Jan Fabian (Peter Raffalt, Vergeltung), seine Frau Babette (Sona McDonald, Große Liebe), sein designierter Nachfolger Werner Gessler (Christoph Zadra) und der abtrünnige Christoph Thiel (Till Firit) bleiben stets ausrechenbar.
Und da ist ein weiteres Manöver, das nicht so recht einleuchten will: Der adrenalinschwangere Showdown, bei dem Eisner auf seinen alten Bekannten Heinz Roggisch (Erik Jan Rippmann, Unvergessen) trifft, wird ohne dramaturgischen Nutzen in einer (zweifellos packenden) Pre-Title-Sequenz vorweggenommen. Das killt auf der Zielgeraden den Überraschungseffekt. Für den sorgt stattdessen Bibi Fellner, denn auch für sie wird es in diesem Tatort schmerzhaft.
und was genau hat der arrogant-selbstherrliche rundumschlag gegen alles, was nicht der simplifizierten reichsschulmedizin mit pille und skalpell entspricht, noch mit einer tatort-kritik zu tun? über die ansichten und methoden der heutigen medizin hätten schulmediziner vor hundert jahren genauso laut und überheblich gelacht wie es heutige alleswisserexperten, z.b. der autor dieser kritik, über alternativmedizin…
und nein, ich lehne schulmedizin nicht ab, die überheblichkeit von unfehlbaren, alleswissenden, wandelnden göttern auf erden dagegen sehr…
wenn darauf jemand was antworten will, soll dieser eine email schreiben, diese seite besuche ich nicht mehr…
Erst beim zweiten Mal anschauen, hab ich die Zusammenhänge verstanden. War schon ein bisschen viel hineingepackt. Hätte für einen Doppelfolge gereicht.
Das Duo FELLNER / EISNER zählen zu den Besten. Die können auch ein schlechtes Drehbuch zur angenehmen Unterhaltung spielen. Die spielen das eingespielteste Team aller Tatort Teams.
Dieser Tatort war das allerletzte! Total überladen und chaotitisch. Ich habe etwa zur Hälfte abgeschaltet. Sowas muß ich mir an einem freien Abend ich antun…
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