Folge 1216
13. November 2022
Sender: WDR
Regie: Janis Rebecca Rattenni
Drehbuch: Benjamin Hessler
So war der Tatort:
Zurück in der Spur.
Denn nach dem vielkritisierten Totalschaden Propheteus, der im März 2022 bei den Zuschauern sang- und klanglos durchfiel, zeigen sich Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) bei ihrem 20-jährigen Dienstjubiläum unter Regie von Janis Rebecca Rattenni rehabilitiert. So miserabel wie der schwachsinnige Vorgänger ist Rattennis Tatort-Debüt bei weitem nicht – das hätte wohl auch selbst das hartgesottene Stammpublikum nicht mehr verziehen.
Von einer steilen Spannungskurve und einem wirklich kreativen Drehbuch ist man in Münster aber auch beim Jubiläumsfall weit entfernt, denn in Ein Freund, ein guter Freund läuft alles auf Autorepeat: Die nur noch selten überraschenden Neckereien zwischen Boerne und seiner diesmal auffällig affektierten Assistentin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch), die seit dem Erstling Der dunkle Fleck von 2002 nach dem immerselben Muster funktionieren. Die obligatorischen Kurzauftritte von Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) und Herbert „Vaddern“ Thiel (Claus Dieter Claußnitzer), der wieder für müde Kiffer-Gags herhalten muss. Und der einleitende Leichenfund, der – wie könnte es anders sein – in direkten Zusammenhang mit einem Bekannten Boernes zu bringen ist.
All das hat es in 20 Jahren Münster-Tatort schon rund 40 mal gegeben: Münster bleibt Münster und Millionen möchten genau das sehen. Diesmal ist der alte Bekannte der ausgebuffte Rechtsanwalt Friedhelm Fabian (Jan Georg Schütte, Murot und das Gesetz des Karma), in dessen Frau Veronika (Proschat Madani, Abgründe) Boerne unglücklich verliebt ist. Der nennt Boerne konsequent „KF“ und steht in windiger Verbindung zum einleitend getöteten Mafia-Anwalt Nikolas Weber (Hadi Khanjanpour, Ich töte niemand). Als Boerne die Ermordung mit vollem Körpereinsatz nachstellt, hat die Krimikomödie einen seltenen originellen Moment: Münster kann Meta, wie schon im grandiosen Limbus bewiesen.
Wer den jungen Advokaten ermordet und krumme Dinger mit Kryptowährungen gedreht hat, spielt – auch das ist für die Beiträge aus Westfalen typisch – eine eher untergeordnete Rolle. Der 1216. Tatort ist ein Paradebeispiel für die seichte und berechenbare Nummernrevue, mit der Boerne und Thiel im Jahr 2022 noch immer so viele Menschen begeistern und für die zumindest die Hauptdarsteller fürstlich entlohnt werden.
Exemplarisch zeigt sich der 90-minütige Reigen der Harmlosigkeit am Mafiaboss Nino Aqostini (Claudio Caiolo, Tyrannenmord): Die Mafiosi-Karikatur stellt ihren riesigen Garten in Wolbeck mit teuren, in der westfälischen Pampa völlig deplatzierten Statuen voll und strahlt auch sonst immer das aus, was man sich unter einem Mafiaboss eben so vorstellt. Entsprechend formelhaft gestalten sich die Dialoge, die die flachen Pointen vorbereiten und den Fall mühsam zusammenzuhalten. Es ist das dritte Münster-Drehbuch von Benjamin Hessler nach Es lebe der König! und Spieglein, Spieglein und es ist erneut Massenware.
Die Hauptfiguren sind dabei ein Schatten früherer Tage und leiden zunehmend darunter, wie schlecht sie gealtert sind. Mirko Schrader (Björn Meyer), der Nachfolger der im Impro-Tatort Das Team unter Regie von (dem hier den Anwalt mimenden) Jan Georg Schütte ermordeten Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter), hätte frischen Wind ins Ensemble bringen können. Stattdessen muss der Mann, der in Rhythm and Love mal in den Vordergrund drängte, am Rechner sitzen, für peinliche „Mama“-Kalauer herhalten und die Goldfische des Toten in Obhut nehmen. Goldi und Foxi.
Das ist von Vorabendkitsch kaum zu unterscheiden und auch das Bild von der Judikative spottet der Realität: „In letzter Zeit hat er viel verloren“, stellt Klemm süffisant über den ermordeten Juristen fest – ganz so, als wären Prozesse ein Sport und als gäbe es vor Gericht nur Niederlagen und Siege, aber keine Kompromisse und Abstufungen im Strafmaß. In Münster zählen Schwarz und Weiß, aber keine Grautöne. Es regiert der Holzhammer, um mit Blick auf die Gerichtssäle im Bild zu bleiben.
So plätschert die Krimikomödie, die zumindest optisch mit ein paar netten Splitscreen-Montagen aus dem Rahmen fällt, nach altbekanntem Muster vor sich hin und mündet irgendwann in das übliche turbulente Finale. Immerhin: Die Auflösung und eine finale Wendung werden sauber vorbereitet, wenngleich sie dem erfahrenen Teil des Publikum kaum mehr als ein müdes Lächeln abringen dürften.
Bewertung: 5/10
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