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Bauernsterben

Folge: 1246 | 15. Oktober 2023 | Sender: ORF | Regie: Sabine Derflinger

Bild: ARD Degeto/ORF/Petro Domenigg
So war der Tatort:
Weder saugut, noch sauschlecht – sondern die goldene Mitte dazwischen.
Dabei entführen uns Drehbuchautor Lukas Sturm (Kein Entkommen) und Regisseurin Sabine Derflinger (Angezählt), die beide bereits für zwei Wiener Tatort-Folgen verantwortlich zeichnen, bei ihrem dritten Austro-Krimi in einen industriellen Schweinemastbetrieb: Inhaber Max Winkler (Norbert Prammer) liegt morgens tot in einem Saustall, von einem Unbekannten erschlagen und von den grunzenden Allesfressern ordentlich angeknabbert.
Ein brutaler Auftaktmord, der Erinnerungen an Horrorfilme wie Hannibal weckt, hier aber ironisch weichgespült wird: Schon vor dem Auffinden der entstellten Leiche irrt ein aus dem Stall entlaufenes Schwein durch die Wohnung des mürrischen Betriebsleiters Sepp Obermeier (Martin Leutgeb, Flash) und verrichtet dort seine Notdurft. Kurz darauf erhalten Chefinspektor Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Majorin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) bei der Besichtigung des (noch) blutigen Tatorts eine unfreiwillige Dusche in der Sprenkleranlage und müssen vorübergehend im Jogginganzug und einer exotisch gemusterten Jacke weiterermitteln. Ein herrlich absurdes Bild.
Solche Szenen sind typisch für den doppeldeutig betitelten Tatort Bauernsterben. Aber soll das nun ein bierernster Themenkrimi werden, in dem das Spannungsfeld zwischen industrieller und ökologischer Landwirtschaft sowie dem Tierwohl und der Profitabilität verhandelt wird? Oder ein mit dudeligen Country-Klängen und seichten Slapstick-Einlagen angereicherter Wald-und-Wiesen-Whodunit, der sich selbst auf die Schippe nimmt? Die Filmemacher können sich für keine stringente Tonalität entscheiden, die Dialoge sitzen dennoch. Und das österreichische Ermittlerduo hat auch zwölf Jahre nach seinem ersten gemeinsamen Fall Vergeltung kaum an Spritzigkeit eingebüßt.

OBERMEIER:
Sie waren in keinem Saustall in letzter Zeit, oder?

FELLNER:
Nur im Büro.


Ansonsten ist die 1246. Tatort-Ausgabe mit ihren seltsamen Tonalitätswechseln aber weder Fisch noch Fleisch, wenngleich der Fokus auf das harte Schweinemastgeschäft Anderes nahelegt. Die dünne Debatte um den Verzicht auf tierische Produkte etwa, die Eisner und Fellner am Rande einer Tierschutzdemo bei einer Wurstsemmel zelebrieren, erschöpft sich in Allgemeinplätzen. Auch die radikale Tierschützerin und Hackerin Mina Truschner (Julia Wozek) und die Professorin Maria Vogler (Claudia Martini) klingen kaum klüger: Hier und da ein paar Zahlen, da und dort ein paar Parolen, aber Hauptsache, es ist immer irgendein Aufkleber oder Plakat im Bild.
Substanz hat das wenig, würde den Rahmen eines Sonntagskrimis aber wohl auch sprengen, zumal die mit Nachrichtenschnipseln durchsetzte Geschichte – das ist typisch für die Folgen aus Wien – bald ihre Kreise auf EU-Ebene zieht. Ein skrupelloser Agrarkonzern mit der unterkühlten Geschäftsführerin Duchkowitsch (Maxi Blaha), die energische, aber weitestgehend machtlose Europäische Staatsanwältin Schmidt (Agnieszka Salamon): Alles schon oft dagewesen und leider auch ziemlich klischeebeladen. Das Äpfelsammeln in der Landidylle fernab des Mastbetriebs oder ein Stück Kuchen in einer lokalen Gastwirtschaft bringen hingegen Gemütlichkeit in den Film – das hat fast was von Vorabendprogramm.
Kurzweilig ist der stellenweise etwas eigenwillig geschnittene Bauernsterben aber allemal, denn mit der übereifrig-sympathischen Polizistin Hofmüller (Karin Lischka), die in diesem Tatort gewissermaßen in die Fußstapfen des letztmalig in Unten zu sehenden „Fredo“ Schimpf (Thomas Stipsits) tritt, gibt es in der ersten Filmhälfte eine erfrischend-sympathische neue Figur unter den Kriminalisten und mit Haymon Maria Buttinger in der Rolle des Öko-Landwirts Alois Schober auch einen Schauspieler, der aus dem überzeugenden Cast noch einmal deutlich heraussticht. Ein toller, charismatischer Auftritt – seine Figur hätte sogar noch mehr Kamerazeit verdient gehabt.
Die Auflösung der Täterfrage ist ebenfalls kein Kinderspiel: Einen deutlichen Hinweis gibt es im Mittelteil des Krimis zwar, aber eben auch falsche Fährten. Die Spannungskurve schlägt bei der Suche nach dem/der Mörder/in allerdings selten nach oben aus. Daran ändern auch eine deutlich zu albern arrangierte Verfolgungsjagd der vegetarisch lebenden Kollegin Meret Schande (Christina Scherrer) oder das obligatorische Poltern von Sektionschef Ernst Rauter (Hubert Kramar) nichts. Für mehrere Lacher sorgt dafür erneut der herrlich trockene Rechtsmediziner Werner Kreindl (Günter Franzmeier), der sich ausführlich mehreren Saumägen widmen darf, obwohl er gar kein Pfälzer ist.
Bewertung: 5/10



Kommentare

24 Antworten zu „Bauernsterben“

  1. Zum Einschlafen langweilig! Der Wiener Tatort war schon mal besser.

  2. Bin Fan des Wiener Teams, aber dieser Teil war einfach nur ekelhaft und schlecht

  3. Es wird sich nur etwas ändern, wenn Kritiker klar benennen, woran es den letzten Tatorten seit mindestens Jahresanfang mangelt: gute Drehbücher. Klischeecharaktere folgen einer Klischeehandlung durch Klischeekulissen und sagen Klischeesätze auf, das muß man nicht schönreden, auch wenn sich hier Schauspieler (und nicht Darsteller, wie so oft) sich redlich mühen. Das – und der sich stets an der Aufregungskultur erigierende Zeigefinger – sind Zeichen für etwas das schon länger bei den ÖRR schwelt. Die Drehbuchautoren fordern seit Jahren in anderen Ländern Selbstverständliches, wie umfangreiche Selbstverantwortung für ihre Inhalte, eine garantierte Nennung im Abspann und Mitspracherecht bei der Besetzung, damit diese zum Buch paßt. Auch eine angemessene Zeiteinräumung und Bezahlung würde sicher zu weniger reißbrettartigen Büchern führen. Aber solange personenkultige Musiksendungen, Bestsellerverfilmungen, auf die nach 20 Jahren keiner mehr gewartet hat und zum Hype verkommene Sportereignisse in zweifelhaften Ländern bei den Verantwortlichen die Taschen vollmachen, haben diese kein Interesse daran. Hier könnten Kritiker ihr Bißchen Macht an denen auslassen, die wirklich verantwortlich sind und denen eine Stimme geben, die nie interviewt werden …

  4. Vielleicht nicht der beste Tatort aus Wien, aber doch ganz passabel. Zumindest mit sinnvoller Handlung und nicht nur quer, schwul, divers, lesbisch vielfältig, bunt und alles weitere was momentan anscheinend so "modern" ist.

    1. Ja, konnte man sich anschauen.

  5. Normalerweise liebe ich das Wiener Team, aber dieser Tatort war grottenschlecht, Langeweile pur und die Thematik war auch nicht mitreissend. Ein Gnadenpunkt von mir.

  6. Tatort war ok. Durchaus realitätsnah. Aber vor allem unaufgeregt. Gute schauspielerische Leistung, hat uns gefallen.

  7. Dieser Tatort hat mir nicht gefallen. Klar durch schaubar, offensichtlich Tierwohl. Schwache Handlung. Fade.

  8. Mittelmäßig der tatort, und spannend eher nicht, würde man gut nachmittags zeigen können da her nur 3 Punkte , ps: einer ungefährlichens tatorte

  9. D‘Sau am Anfang – origineller Auftakt.
    Dann doch etwas zäh, aber nicht uninteressant. Bibi und Moritz wie gewohnt spitze.

  10. Der Regisseur und der Tontechniker sollte sich den Tonmüll den sie abliefern vorab auf einem normalen Fernseher anhören. Albernes, z. T. unverständliches Dialekt Genuschel. Die Herren mögen mal bedenken das auch Dialektunkundige Tatort verstehen möchten.

    1. Nun in Wien spricht man nun mal wienerisch und nicht hochdeutsch wie z. B. in Hannover wo man nichts kann außer das was einem der Herr Lehrer beigebracht hat.

    2. Den Dialekt finde ich nicht schlimm. Es hat etwas Regionales, sonst könnte man sich die verschiedenen Orte sparen.

      Allerdings musste ich stellenweise auch sehr aufpassen, um etwas zu verstehen. Das lag aber an der lauten und unpassenden Zithermusik. Die Tonspur war viel zu laut. Wird so etwas nicht vorher geprüft?

  11. Warum ist der Ton so schlecht?
    Nicht nur der Dialekt auch das Genuschel der Schauspieler ließen mich letztendlich abschalten.

  12. War eigentlich ganz gut. Zwar fand ich den letzten Zürich besser, aber im Vergleich zu dem Blödsinn der sonst gezeigt wird war's annehmbar.

    1. Ja, ich bin immerhin nicht eingeschlafen :).

  13. Schlechtester Tatort aus Wien seit Langem. Dass ich trotzdem 6/10 Punkte gebe, ist der Beweis dafür, dass das Team sonst verlässlich abliefert.

  14. Jetzt also leider auch die Österreicher. Können es nicht mehr so gut wie gewohnt.
    Interessante Themen, aber nicht gut umgesetzt.
    Spannender Tatort geht anders.
    Eisner und Bibi wie üblich sehr gut.
    Tatort leider nicht.
    Nicht Fleisch, nicht Fisch, garnichts.
    Schade!!!

  15. Avatar von Der blanke Hans
    Der blanke Hans

    tja Leute – das zum Thema "Tatort" – ja eine angeknabberte Leiche – die reicht mir, um noch weniger Schweinefleisch zu essen – aber: Weder saugut, noch sauschlecht, meine Meinung: eher sauchschlecht. Bibi und Moritz haben für so viele hervorragende spannenden Fälle gesorgt…
    aber es scheint in der Tat so zu sein, dass den "Drehbüchern" bzw. deren Verantwotlichen langsam die Luft ausgeht… woran es wohl liegen könnte: Das Geld zusammen halten um die wahnwitzigen FIFA/DFB/Olympia Übertragungsrechte etc. etc. nicht zu gefährden…. Also: Sparen sparen sparen … und möglichst nur noch kostengünstige Studioproduktionen (ohne Ende Talkshows, Kochshows, Rateshows ..) Fazit: heute nach 15 Minuten abgeschaltet.
    Ffür Bibi und Moritz: viele Sterne – für den Film: wenig Sterne

    1. Endlich wieder ein Tatort den Man sich Ansehen kann.

  16. Schade, dass die Kritik an der aktuellen Lage in der industriellen Schlachtung und Haltung etwas kurz kam. Aber es war ne Menge süßer kleine Ferkelchen.

  17. Avatar von Macadoli

    Handfester österreichischer krimi. Bibi und Moritz immer ein Garant für gute Unterhaltung. Die Darsteller heute sehr überzeugend.

  18. Guter Tatort. Thema interessant und aktuell.
    Geht doch! Weiter so

    1. Endlich wieder ein Tatort den Man sich Ansehen kann.

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